Tragödie einer Hassliebe

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Andrea Eckert brilliert als Kleists "Penthesilea" im Wiener Volkstheater.

Direktorin Emmy Werner eröffnete auch ihre letzte Spielzeit am Wiener Volkstheater mit einer großen Frauenfigur. Heinrich von Kleists Trauerspiel "Penthesilea" erzielt umso mehr Wirkung, je länger der Abend dauert. Es ist wie "Romeo und Julia" das Drama einer an den äußeren Umständen zerbrechenden Liebe. Dass sich hier nicht zwei Familien, sondern die beiden Geschlechter in Feindschaft und Unverständnis gegenüberstehen, lässt natürlich sehr weiten Interpretationen und Spekulationen - auch über das Privatleben des Autors - Raum.

In den drei zu Beginn auftretenden Herren, die in ihrer Aufmachung auf das TV-"Traumschiff" passen würden, erkennt man nur mit Mühe Odysseus und andere griechische Heroen. Als sie sich über den Krieg um Troja und das Eingreifen der Amazonen unterhalten, plätschert die Aufführung noch saft- und kraftlos dahin. Wer sich in griechischer Mythologie nicht genau auskennt und im Programmheft die Seite "Von Achilles bis Zeus" noch nicht gelesen hat, hat Probleme. Kleists Text, der die Götter einmal lateinisch, dann wieder griechisch benennt, macht die Sache nicht leichter.

Doch dann kommt vom Mittelgang und schließlich mit dem Auftritt der Amazonen Leben ins Geschehen. Die Nebel lichten sich und geben den Blick auf zwei Menschen frei, die von Liebe zueinander erfasst sind, aber nur in den Kategorien von Sieg und Niederlage, von Kampf, Triumph und Unterwerfung zu leben gelernt haben: den griechischen Helden Achilles und die Amazonenkönigin Penthesilea. In der Welt einer Amazone hat ein Mann nur insofern Platz, dass sie ihn im Kampf besiegen muss, dann mit ihm beim heimatlichen "Rosenfest" ein Kind zeugt und sich schließlich seiner wieder entledigt.

Penthesilea, von Achilles im Kampf besiegt, doch von ihren Gefährtinnen befreit, missversteht seine neuerliche Herausforderung zum Kampf, die nur den Sinn hat, sich von ihr besiegen und zum "Rosenfest" bringen zu lassen. Ihre Liebe schlägt in rasenden Hass um, sie tötet und zerfleischt den griechischen Helden, dem in dieser Version nicht seine berühmte Ferse zum Verhängnis wird. Als Penthesilea wieder zur Besinnung kommt, tötet sie sich selbst durch "ein vernichtendes Gefühl".

In Alexander Kubelkas Inszenierung ohne Pause entfalten - auch dank der viel besser gestalteten Kostüme - die Frauenszenen deutlich mehr Wirkung als das mitunter unfreiwillig komisch anmutende Geschehen bei den griechischen Männern. Die Bühne von Paul Lerchbaumer ist vorwiegend kahl, ein großer weißer Vorhang mit Rosenblüten und Blutflecken und Plastikhüllen, unter denen Gefangene und Tote gelagert werden, passen weit besser als das moderne Sitzmobiliar.

Abgesehen von der wieder einmal grandiosen Andrea Eckert (Penthesilea), die von zarter Berührtheit bis zu wilder Raserei alle Sprossen der Gefühlsleiter mühelos erklimmt, kämpfen fast alle Akteure mit der für solche Texte schwierigen Sprechtechnik. Andreas Patton (Achilles) zieht sich neben Eckert achtbar aus der Affäre. Einen starken Eindruck hinterlassen noch Julia Cencig (Prothoe) und Vera Borek (Oberpriesterin). Das Premierenpublikum schien beeindruckt und sparte nicht mit Beifall.

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