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Ein Symposium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien über die gute alte Zeit der zeitgenössischen Kunst.

Früher, ja früher, da wusste man, was Kunst ist. Aber heute! Ja heute - ist das in der Tat oftmals unklar. Aber nicht weil es früher wirklich einfacher zu entscheiden gewesen wäre, jede aktuelle Kunst war zu jeder Zeit für die Zeitgenossen eine Herausforderung. Sonst wäre sie keine Kunst gewesen, sonst kann sie auch heute keine Kunst sein. Das Symposium Transart V an der Akademie der Bildenden Künste in Wien nahm in prominenter Besetzung diese Herausforderung der zeitgenössischen Kunst auf und stellte die Frage, was sie denn eigentlich sei, die zeitgenössische Kunst.

Provokant pointiert beschrieb der Pariser Philosoph Alain Badiou die zeitgenössische Kunst als romantischen Formalismus, der in seiner nihilistischen Obszönität die Verzweiflung des Körpers verlängert. Gegen die Reduktion der zeitgenössischen Kunst auf "tibetische Pornografie" entwickelte Badiou ein Vierzehn-Punkte-Programm, ein Manifest der Befreiung unserer Vorstellung über die Kunst aus unserer Welt des Imperiums, in dem wir leben und das die Kunst immer tendenziell zur Zelebration der eigenen Macht instrumentalisieren möchte. Kunst ist für Badiou nicht die sublime Ausfahrt in den Körper, sondern Produktion von Endlichkeit, sie ist nicht Ausdruck irgendeines Partikularismus, sondern die Produktion einer Wahrheit, die alle angeht. Weiter transformiert Kunst sensible Gegebenheiten in unsensible Zustände, was klar zu sehen war, wird durch die künstlerischen Eingriffe schwierig, zum Problem, zur Herausforderung. Da unsere imperiale Demokratie nach den Regeln der Kommunikation und der Bewegung funktioniert, muss sich die Kunst diesen vorgefertigten Netzen verweigern und aus den Ressourcen ihrer eigenen Freiheit schöpfen. Diese nicht-imperiale Kunst wird daher eine abstrakte Kunst sein, wir brauchen dafür eine neue Geometrie des Sichtbaren und des Hörbaren. Weil die nichtimperiale Kunst keinen Mittelsmann duldet, wendet sie sich an ein aristokratisches Proletariat als Publikum und sie wird dabei so überraschend vorgehen wie bei einem Angriff bei Nacht. Nach Wegfall der äußeren Zensur müssen wir unsere eigene Zensur sein, wobei es besser ist, gar nichts zu machen, als an der Sichtbarkeit dessen zu arbeiten, war für das Imperium bereits existiert.

Für den zweiten hohen Gast aus Paris, Jacques Rancière, ist der eigentliche Ort der zeitgenössischen Kunst die Koexistenz der zerstörten Individualität und der Ziellosigkeit. Beatrice von Bismarck, Stephan Schmidt-Wulffen, Karin Gludovitz und Jean-Philippe Antoine stellten praktische Kunstbeispiele in den Mittelpunkt. Boris Groys sah das Projekthafte der Kunst als zentral an, Kunst bleibt ewig aufgeschoben, weil die Künstler nie dazukommen, ihre Projekte zu realisieren und die Rezipienten nie dazukommen, die Projekte aufzunehmen. Wir können Kunst und Nicht-Kunst nicht unterscheiden, weil uns die Kunst nicht als Kunst gegeben ist, sondern bloß als Versprechen. So ist früher eben morgen.

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