Als gelte es, die Kluft zwischen den USA und Europa mit Büchern zu schließen, schreiben sich die Politologen, Historiker und Journalisten diesseits und jenseits des Atlantiks die Finger wund. Eine Auswahl an Neuerscheinungen.
12 x US-Faschismus
Die Frau auf dem Bild auf dieser Seite muss das Buch "Ami go home" von Wilhelm Langthaler und Werner Pirker gelesen haben: Danach hat sie die Stars auf der US-Flagge durch ein Hakenkreuz ersetzt. Auch für Langthaler/Pirker sind Faschismus und Amerikanismus in den Auswirkungen ident: "Die Hitlerei beruhte auf einer wahnwitzigen sozialdarwinistischen Selektion in Herren und Untermenschen. [...] Der neoliberale Imperialismus verfolgt zwar eine andere ökonomische Strategie, die sozialdarwinistische Selektion ist aber nicht minder grausam."
Die Frau auf dem Bild hat das Buch aber nicht genau gelesen: Ansonsten hätte sie sich ihr zivilgesellschaftliches Engagement überlegt. Der italienische Marxist Antonio Gramsci verstand unter Zivilgesellschaft "eine das repressive Machtregime der Bourgeoisie ergänzende Form der Herrschaft", die es für die sozialistische Umwälzung zu erobern gelte. Heute dient Zivilgesellschaft als "gesellschaftliches Idealbild" und die "NGOs usw. agieren zumeist als Streetworker des Neoliberalismus, als die alternativen Kleinproduzenten des alternativen Bewusstseins".
Langthaler/Pirker versuchen - der Tradition in der sie stehen gemäß - die Welt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das ermöglicht neue Perspektiven, denen nicht immer zustimmen ist: Vor allem, wenn es um die verständnisvoll milde Beurteilung der MilosÇevi´ce und Saddams dieser Welt geht. Das Buch bietet jedoch eine gute Zusammenfassung, was die wirkliche Linke heute noch als Ideologiekritik anzubieten hat.
AMI GO HOME. Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus
Von Wilhelm Langthaler und Werner Pirker, Promedia Verlag, Wien 2003, 159 Seiten, brosch., e 11,90
US auf schiefer Ebene
Die Supermacht USA soll sich nicht zu sicher sein, warnt Charles Kupchan seine Landsleute. "Wenn es den USA nicht gelingt, sich an das veränderte internationale System anzupassen, werden sie dafür einen hohen Preis bezahlen." Seiner Heimat fehle es an einer "Großen Strategie", bemängelt der frühere Europa-Berater von Präsident Clinton. Das rächt sich, ist Kupchan überzeugt, denn die Europäische Union ist trotz aller internen Rückschläge auf dem Vormarsch. - Und so wie Rom und Byzanz gehen mit dem gegenwärtigen Kurs auch Washington und Brüssel einer Trennung entgegen.
DIE EUROPÄISCHE HERAUSFORDERUNG Vom Ende der Vorherrschaft Amerikas
Von Charles Kupchan, Rowohlt Verlag, Berlin 2003, 320 Seiten, geb., e 19,90
2 Streithansl, 1 Freund
Ein Ehepaar lebt in Scheidung, alles was einmal an Gemeinsamkeit da war - jetzt ist es zerrüttet. Und da gibt es noch diesen Freund der Familie, der mit beiden Seiten gut kann. Und wenn er bei dem einen auf Besuch ist, schimpft er über den anderen. Und wenn er mit dem anderen sich im Café trifft, dann lässt er kein gutes Haar am einen. Das Paar im Buch "Atlantische Scheidung" sind Amerika und Europa, und der Freund ist der Autor, Klaus Emmerich.
Der langjährige Amerika- und EG-Korrespondent des ORF beschreibt das transatlantische Mit- und Gegeneinander bis in die kleinsten Details. Das macht Emmerichs Buch zur kurzweiligen Lektüre und lässt Vorfreude bei Zwischentiteln wie "Weltpolitik eines Krawattenhändlers" oder "Bilanzen sind wie Bikinis" aufkommen. Die Fülle führt aber dazu, dass die großen Konfliktlinien in dem Wust an Gemeinheiten und Streitereien nicht mehr auszumachen sind. Enttäuschend ist nach der Aufzählung so vieler Trennungsgründe aber vor allem der schnelle versöhnliche Schluss: Reißt euch am Riemen, strengt euch an, probiert es halt wieder - denn eine Scheidung können sich beide Seiten nicht leisten, meint der besorgte Freund Emmerich.
ATLANTISCHE SCHEIDUNG. Driften Amerika und Europa auseinander?
Von Klaus Emmerich, Molden Verlag, Wien 2003, 263 Seiten, geb., e 22,80
Zornig im Exil
"Was Sie in der New York Times nicht gelesen haben und was sie auf CBS nicht zu sehen bekommen", in Greg Palasts Buch "Shame on you" ist es zu finden. Die Exklusivität mit der Aufdeckungsjournalist Palast seine Recherchen dem US-Publikum anbietet, soll die europäische Leserschaft nicht abhalten. Auch auf die Gefahr hin, "dass Sie die Lektüre ziemlich depressiv stimmt". Greg Palast, der es mittlerweile vorzieht, vom englischen Exil aus seine Heimat zu beschreiben, geht mit den Vereinigten Staaten gnadenlos ins Gericht - lässt sich dabei aber selbst nicht die Hoffnung ganz vertreiben: "Tief in unseren durchkommerzialisierten, disneyfizierten Herzen pulsiert noch immer ein gewisser demokratischer Elan."
SHAME ON YOU
Die Wahrheit über Macht und Korruption in westlichen Demokratien
Von Greg Palast, Deutsche Verlags
Anstalt, München 2003, 351 Seiten, brosch., e 14,90
Untergehen wie Rom
Die ganze Welt weiß, dass die USA mit ihrer militärischen Macht die Welt beherrschen. Die meisten Amerikaner verstehen das nicht, schreibt Chalmers Johnson in "Der Selbstmord der amerikanischen Demokratie": Wegen der Geheimniskrämerei ihres Staates hätten sie keine Ahnung, dass ihr Land weltweit 725 Truppenstützpunkte unterhält. Vor den Folgen des US-Militarismus hat der kalifornische Politologe 2000 in seinem Buch "Blowback" gewarnt. Jetzt nach dem "Rückstoß" drohe dem US-Imperium aber sogar, "das ganze Land zu verlieren". Um nicht als Kassandra dazustehen, lässt Johnson eine Fülle von Gewährsleuten zu Wort kommen. Seine gelehrten Vergleiche mit dem Schicksal des antiken Roms bestechen, und sein unaufgeregter Stil tragen zur großen Klasse dieses Buches maßgeblich bei.
DER SELBSTMORD DER AMERIKANISCHEN DEMOKRATIE
Von Chalmers Johnson
Karl Blessing Verlag, München 2003, 478 Seiten, geb., e 23,-
Patriotisches Fieber
Wenn man lange genug an einem Amerikaner kratze, komme der Erlöser zum Vorschein. Dieses Sprichwort nennt Detlef Junker in "Power und Mission", um Amerikas Auserwähltheit zu demonstrieren - und um zu zeigen, dass es dieses Denken in den Staaten schon seit jeher gibt. Das derzeitige "patriotische Fieber"sei nichts Außergewöhnliches, erklärt der Heidelberger Historiker. Er mahnt Gelassenheit ein, denn dieses periodisch auftretende Fieber hat "die amerikanische Demokratie nie ernsthaft gefährden können". Nicht einmal George W. Bushs missionarischer Eifer sei ein Sonderfall, beruhigt Junker, der einen guten historischen Überblick bietet, sich aber mit Wertungen zurückhält. Getreu der Aufgabe des Historikers: "nicht zu richten, sondern zu beschreiben und zu erklären".
POWER AND MISSION
Was Amerika antreibt
Von Detlef Junker, Herder Verlag, Freiburg 2003, 191 Seiten, geb., e 19,90
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