"Trennendes hintanstellen"

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Offenheit und Toleranz sowie gelebte kulturelle Vielfalt, das streicht der neue Landeshauptmann als die Besonderheiten des Burgenlands hervor.

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Offenheit und Toleranz sowie gelebte kulturelle Vielfalt, das streicht der neue Landeshauptmann als die Besonderheiten des Burgenlands hervor.

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die furche: Herr Landeshauptmann, 80 Jahre Burgenland sind ein guter Anlass darüber nachzudenken, was Österreich abgehen würde, wenn es das Burgenland, die Burgenländer nicht hätte?

Hans Niessl: Ich denke, dass das Burgenland durch seine gelebte kulturelle Vielfalt zum Symbol für das friedliche und fruchtbare Zusammenleben verschiedener Volksgruppen und Konfessionen geworden ist. Gerade im kulturellen Bereich konnte das Burgenland unter Beweis stellen, dass seine Kultur über die Landesgrenzen hinweg Impulse setzen kann. Die besondere Offenheit und Toleranz des Burgenlandes wird aber auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

die furche: Überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum, höchster Nächtigungszuwachs im Tourismus, laut WWF-Befund führend im Naturschutz. Sie haben das Burgenland im Aufwind übernommen; welche Akzente versucht nun ein LH Niessl zu setzen?

Niessl: Mitentscheidend für die ausgezeichnete Entwicklung der letzten Jahre war sicherlich der typisch burgenländische Weg - in den entscheidenden Zukunftsfragen wurde das Gemeinsame stets vor das Trennende gestellt. Ich bin angetreten, um diesen Weg fortzusetzen. Natürlich wird es neue Markierungen geben müssen, denn eine neue Zeit erfordert neue Antworten. Das Burgenland kann den Sprung in die Liga der europäischen Top-Regionen schaffen, wenn die Modernisierung und Erneuerung der Strukturen ungemindert fortgesetzt wird. Der Wirtschaftsstandort muss nachhaltig gestärkt werden, Technologiezentren müssen geschaffen beziehungsweise ausgebaut werden, Klein- und Mittelbetriebe müssen für den schärfer werdenden Wettbewerb fit gemacht werden. Primäres Ziel bleibt die Schaffung moderner Arbeitsplätze. Daher wird es auch im Bereich der Bildung und Qualifikation massive Anstrengungen geben.

die furche: Wie soll es mit der EU-Erweiterung weiter gehen?

Niessl: Man muss realistisch an die Sache herangehen. Zunächst sehe ich in der Erweiterung eine enorme Chance für unsere Region. Ich weiß aber auch, dass wir diese Chance nur nutzen können, wenn dieser große Integrationsschritt optimal vorbereitet wird. Im Rahmen der Euregio soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert werden. In Heiligenkreuz gibt es bereits einen grenzüberschreitenden Wirtschaftspark. Weiters gibt es eine ganze Reihe von Projekten im Rahmen des Interreg-Programms. Und natürlich gilt es noch Probleme zu lösen, aber diese löse ich nicht durch Angstparolen, sondern einzig und allein durch eine Politik des Handelns, durch die Umsetzung konkreter Projekte. Nicht zuletzt ist die Vorbereitung des Burgenlandes auf die Erweiterung im Programm der zweiten Ziel 1-Förderperiode verankert, und da werden bis zum Jahr 2006 immerhin Investitionen im Ausmaß von mehr als 20 Milliarden Schilling ausgelöst.

die furche: Anlässlich "80 Jahre Burgenland" versprach die Bundesregierung dem Land eine Jubiläumsgabe in der Höhe von 55 Millionen Schilling. Was soll mit dem Geld geschehen?

Niessl: Da wir im Bereich der Bildung und Qualifizierung ein zentrales Zukunftsthema sehen, werden 45 Millionen Schilling in diesen Bereich fließen. Je fünf Millionen sind für grenzüberschreitende Aktivitäten und für Volksgruppen vorgesehen.

die furche: Thema Geld, jetzt zu unerfreulicherem. Wie will das Land die durch den Bank-Burgenland-Skandal entstandenen Verluste gutmachen?

Niessl: Zunächst einmal ist wichtig, dass man die Bank in Ruhe arbeiten lässt. Denn nur so ist sie in der Lage, einen möglichst großen Teil des Schadens selbst zu erwirtschaften. Der neue Vorstand und der neue Aufsichtsrat haben bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Konsolidierung der Bank gesetzt - ein Businessplan ist in Ausarbeitung. Es wird von der weiteren Umsetzung all dieser Maßnahmen abhängen, ob und in welchem Ausmaß der Mehrheitseigentümer belastet wird. Das Land steht jedenfalls zu seiner Bank. Im Rahmen einer Budgetklausur sind wir mit der ÖVP übereingekommen, einen Finanzmanager zu bestellen.

die furche: Seit vergangenem Sommer bereichern zweisprachige Ortstafeln das Straßenbild in 47 kroatisch sprachigen und vier ungarisch sprachigen Gemeinden des Burgenlandes. Nach jahrzehntelangen, sehr heftige Diskussionen werden die Tafeln jetzt großteils akzeptiert. Was wünschen Sie sich an weiteren Integrationschritten?

Niessl: Die Integration ist im Burgenland derart natürlich vonstatten gegangen, dass für uns ein friedliches Zusammenleben der Volksgruppen eine Selbstverständlichkeit geworden ist. In der Mehrsprachigkeit des Burgenlandes sehe ich einen ganz wichtigen Startvorteil im Hinblick auf die Erweiterung der EU - daher werden wir die Mehrsprachigkeit weiterhin entsprechend pflegen. Das Burgenland war schon immer ein Beispiel für Toleranz und gelebte Vielfalt. Ausschreitungen sind vor allem deshalb ausgeblieben, weil wir typisch burgenländisch handeln und das Gemeinsame stets im Vordergrund steht. Auf jeden Fall wird sich das auch positiv auf die Erweiterung auswirken.

Die Fragen stellte Wolfgang Machreich.

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