Trost im Bild
WILFRIED STEINERS ROMAN "BACONS FINSTERNIS": EIN EPISCHES TRIPTYCHON.
WILFRIED STEINERS ROMAN "BACONS FINSTERNIS": EIN EPISCHES TRIPTYCHON.
Sieben Jahre sind vergangen, seit Wilfried Steiners erster Roman "Der Weg nach Xanadu" erschienen ist. Damals verfiel der Anglistikprofessor Alexander Markowitsch, der sich für vernunftgesteuert hielt, einer jungen Frau namens Anna. Diese heftige Leidenschaft zog eine andere nach sich, die für den englischen Romantiker Samuel Taylor Coleridge. Auch in Steiners neuem Roman "Bacons Finsternis" wird das Kunsterlebnis der Hauptfigur durch eine heftige emotionale Erschütterung ausgelöst. Der Buchhändler Arthur Valentin wird während eines Griechenlandurlaubs ziemlich grob von seiner Frau Isabel verlassen. Dadurch gerät er in eine seelische Verfassung, die ihn für die Bilder von Francis Bacon auf außergewöhnliche Weise sensibilisiert. Motiv und Farbgebung eines Bacon-Triptychons verbinden sich mit Arthurs Erinnerungen an seine Isabel.
Und dann auch noch dieser Vorname! In der Londoner Tate Galery, wohin es den Protagonisten in der Zeit seiner intensiven Bacon-Nachfolge verschlägt, steht er dem "Portrait of Isabel Rawsthorne" gegenüber. Valentins Isabel -Bacons Isabel. Sehen und verschmelzen sind eins! Dennoch sind die Bildinterpretationen alles andere als rein subjektive Expression, ihre Qualität besteht in der intellektuellen Auseinandersetzung mit Francis Bacon, die Wilfried Steiner seinem Romanhelden auferlegt. Vielleicht trägt sogar diese Objektivierung der Kunsterfahrung etwas dazu bei, dass der Romanheld mit seinem Verlust-und Abschiedsschmerz besser umgehen kann.
Es mag auf den ersten Blick irritieren, dass Arthur Valentin ausgerechnet das Werk eines Künstlers als tröstlich erlebt, dessen Motive vor allem Leid, Schmerz und existenzielles Elend sind. Es ist aber erwiesen, dass harmonisch-glückliche Gegenwelten für den trauernden Menschen meistens keinen Trost bieten, eher bietet ihn die gleichgestimmte Seele, insbesondere dann, wenn sie imstande ist, Leid und Trauer in so starken Bildern zu vermitteln, wie Francis Bacon dies getan hat.
Originelle Komposition
Der Roman "Bacons Finsternis" beruht auf dem originellen Konzept, Beziehungsdrama, Kunsterlebnis bzw. Kunstreflexion und Kriminalhandlung in einem epischen Triptychon zu verbinden. Die erste "Erzähltafel" zeigt den Liebesschmerz des verlassenen Mannes, die mittlere Tafel das dadurch ausgelöste Kunsterlebnis. Und die dritte bietet dem Leser eine Kriminalhandlung, in der Steiner das Hauptmotiv der ersten und der zweiten Tafel zusammenführt. Das kriminalistische Finale kommt dadurch zustande, dass der eifersüchtige Arthur Valentin fest davon überzeugt ist, dass der neue Freund seiner Isabel ein Verbrecher sei, der nichts Geringeres plane als den Raub eines Bacon-Bildes.
"Bacons Finsternis" gehört allein aufgrund der ungewöhnlichen Kompositionsform zu den originellsten Neuerscheinungen dieses Literaturherbstes. Die Komposition ist aber nicht die einzige Stärke des Romans. Wilfried Steiner versteht auch das Handwerk, spannende Handlungsbögen zu gestalten und durch wunderbar ironische Brechungen das Pathos der Thematik zu relativieren.
Bacons Finsternis Roman von Wilfried Steiner Deuticke 2010 286 S., geb., € 20,50