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Nach insgesamt zehn Jahren verabschiede ich mich nun aus der Jury des Bachmannpreises und fühle mich doch betroffen, wenn die Zeichnerin und Autorin Andrea Dusl in Heinz Sichrovskys Literatursendung den Bewerb eine "Trottelveranstaltung" nennt und der Gastgeber ihr "vollinhaltlich" zustimmt. Dusls Argument, es sei "unanständig", "Geschriebenes miteinander in einen Wettkampf" zu führen und vorzugeben, man könne beurteilen, wer hier "um einen Millimeter" vorn liege, setzt voraus, dass die Beteiligten an solch sportliche Messbarkeit glauben. Das ist natürlich Unsinn. Und doch ist es möglich, das hat sich so manches Mal gezeigt, unter 14 Texten einhellig den einen herausragenden zu finden. Wann immer es mehrere sehr gute Beiträge gab, wurde in der Diskussion wie in der Abstimmung klar, dass die Ermittlung des preiswürdigsten unter den preiswürdigen von persönlichem Geschmack und der Dynamik des Votings abhängt.

Die glückliche Andrea Dusl hat "alle Bücher gern, sogar die schlechten". Kritik indes kommt vom griechischen "krinein", unterscheiden. Es gibt keinen literarischen Preis, bei dem Unterscheidung und Entscheidung so öffentlich, so transparent ablaufen. Der Bachmannwettbewerb hält anachronistisch daran fest, dass eine funktionierende ästhetische Kritik zum Wesen eines demokratischen Gemeinwesens gehört. Dabei exponieren sich die Teilnehmer freilich in besonderer Weise: Lob und Tadel werden nicht wie im Rezensionswesen dosiert und aus der Distanz verabreicht, sondern brechen in geballter Unmittelbarkeit über sie herein. Die Schieflage der Machtverhältnisse ist auch durch die seidenweichste Verpackung der Kritik nicht zu beheben. Autorinnen und Autoren, die da mitmachen, sind mit Verlaub dennoch keine Trottel: Viele Karrieren haben in Klagenfurt begonnen, nicht nur für die Sieger.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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