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Kürzlich wurde der Aga Khan Award for Architecture, der höchst dotierte Architekturpreis der Welt, in Doha/Katar verliehen. Das Interesse westlicher Medien war beschämend gering.

Üblicherweise ist die Verleihung eines Architekturpreises nur für ein Fachpublikum von Interesse. Architekten, Designer und Stadtentwickler feiern einen prominenten Kollegen, wie zum Beispiel beim Pritzker-Preis. Beim Aga Khan Award for Architecture ist das anders: Er trägt seit 33 Jahren dazu bei, die Lebensbedingungen für arme Menschen vor allem in Asien und Afrika zu verbessern. Das mag pathetisch klingen, entspricht aber bei näherer Betrachtung der Realität.

Am 24. November wurde in Doha, der Hauptstadt von Katar, zum elften Mal der Aga Khan Award for Architecture verliehen. Mit 500.000 Dollar ist er der höchst dotierte Architekturpreis der Welt. Er zeichnet nicht eine Person aus, sondern ein Projekt. Die Frage ist also nicht, wer wurde ausgezeichnet, sondern was? Bewusst wird der Begriff Projekt gewählt, weil neben Gebäuden auch Parks, Stadtsanierungen, Platzgestaltungen, Souks oder Wadis ausgezeichnet werden.

"Die Gewinner-Projekte zeigen die Vielfältigkeit der muslimischen Welt", sagt Farrokh Derakhshani, der Direktor des Preises. Ein Blick auf die Bühne gibt ihm recht: Dort stehen saudische Scheichs neben tunesischen Architektinnen und ein türkischer Fabrikbesitzer neben einer chinesischen Delegation aus der Region Fujian. Sie wurden ausgezeichnet für folgende Projekte: das Wadi "Hanifa Wetlands" in Riad, die Revitalisierung des Stadtkerns von Tunis, das Madinat Al-Zahra Museum in Córdoba, die Textilfabrik Ipkyol im türkischen Edirne und die Brückenschule in Xiashi in China.

Strenges, aufwendiges Ausleseverfahren

Einer der Preisträger ist der junge chinesische Architekt Li Xiaodong. Er fand seine Aufgabe in einem abgelegenen Dorf in der Region Fujian. Dort trennte die Bewohner eine tiefe Schlucht, und sie mussten lange Fußmärsche hinter sich bringen, um sich zu treffen. Heute verbindet ein Brückengebäude (Bild oben) die beiden Dorfhälften und beherbergt tagsüber die Schule und in der Nacht eine Bibliothek, mittlerweile wird dort am Abend sogar Theater gespielt. Das Dorf ist heute eine Einheit, das Zusammenkommen ist für alle gleichermaßen einfach. Es versteht sich von selbst, dass alle technischen Details und das Design den hohen Anforderungen der strengen Jury entsprochen haben.

Doch wie ist es möglich, dass ein derartig abgelegenes Projekt Aufmerksamkeit findet? Die Antwort liegt in einem komplexen Netzwerk: Rund tausend versierte Kontaktleute - Journalisten, Architekten, Designer - machen der Direktion des Preises Vorschläge. Das können Slum-upgrading-Projekte ebenso sein wie Wolkenkratzer. Heuer wurden 400 Projekte eingereicht, die von einem sogenannten "Steering Komitee", dessen Vorsitz der Aga Khan hat, begutachtet werden. Die Gründlichkeit der Inspizierung kann ein Grund sein, warum der Preis nur alle drei Jahre verliehen wird. Das Gremium besteht aus Gelehrten und Gebildeten aus Amman, Harvard, New York, Mumbai, London und Istanbul. Der Direktor des MoMA, Glenn Lowry, ist einer von ihnen und auch der Architekt Sir Norman Foster. Die Qualitätsstandards für ihre Auswahl sind hoch und sehr komplex: Es geht um die Einbindung des Projektes in die Umgebung, um die Verwendung von regionalen Baumaterialien, es geht auch um Schönheit und um die Sinnhaftigkeit für die Menschen vor Ort. Was haben sie davon, verbessert es ihr Leben? Im aktuellen Zyklus haben neunzehn Projekte die Hürde dieses Gremiums passiert.

Im nächsten Schritt werden Gutachter aktiv und bleiben tagelang vor Ort. Der Architekt Ken Vow aus Kuala Lumpur erzählt, dass er drei Tage lang in einem nominierten Haus im Süden Mumbais gelebt hat. Er schrieb einen detaillierten Bericht, den er vor der Master Jury referieren musste. Aufgrund dieser Beurteilungen entscheidet diese, wer ausgezeichnet wird. Die Jury besteht aus Architekten, Künstlern und Historikern und wird bei jedem Zyklus neu zusammengestellt.

"Immer mehr wird uns bewusst, dass die Qualität unserer Gebäude unsere Lebensqualität verändern kann, in spiritueller und materieller Weise." Als der Aga Khan, Imam der Ismailiten, im Jahr 1977 einen Architekturpreis ins Leben rief, herrschte ein Vakuum in der islamischen Architekturszene. Es gab keine entsprechende Ausbildung, Kolonialisierung und Globalisierung hatten die Kontinuität der Tradition geschwächt. Heute, über hundert ausgezeichnete und 7500 dokumentierte Projekte später, schaut die Welt auf modellhafte Schulen in Bangladesch und Burkina Faso, auf vorbildliche Restaurierungsprojekte in historischen Städten und inspirierende Fabrikgebäude. Die Dokumentation über die Jahrzehnte bildet mittlerweile ein wertvolles Archiv.

Die Vermittlung der Inhalte ist ein zentraler Aspekt des Preises. So ist die Zeremonie des Aga Khan Award in Doha eingebettet in ein mehrtägiges Symposium. Eingeladen sind Professoren und ihre Studenten, Journalisten und Kritiker, Künstler und Architekten, sie alle können an großen runden Tischen zusammenkommen und sich austauschen. Ein zypriotischer Architekturprofessor erzählt, dass er in Sharjah, in der Nähe Dubais, Studenten aus sechzig Ländern unterrichtet. Sogar eine christliche Assyrerin gehöre zu seinem Institut. Jordanische Studentinnen von der Universität Katar wollen wissen, ob Europäer glauben, dass die Menschen in den Golfstaaten immer noch auf Kamelen reiten? Die Antwort ist beruhigend, aber es wird kein Hehl aus der Überforderung gemacht, angesichts des Kranwaldes, der Doha beherrscht. Wenn man vom Flughafen in die Stadt fährt, blickt man auf eine Skyline, die an Manhattan erinnert. Es wird erzählt von Studentenprotesten an westlichen Universitäten und von einer Ölquelle in Katar, die den Namen "Bildungsquelle" trägt, weil deren Ertrag ausschließlich Bildungszwecken zugute kommt. Der Frauenanteil an den Universitäten in Doha liegt bei über siebzig Prozent.

"Bildungsquelle" für den Westen

Internationale Medien wie CNN, PBS, Le Monde und New York Times sind präsent, auch BBC World berichtet. Doch ansonsten fehlen Medienvertreter aus Europa. Warum ist das Interesse so gering, ist es wirklich so, dass nur die schlechten Nachrichten die guten sind? In Zeiten des Islam-Bashings scheint die inhaltliche Diskussion reduziert zu sein auf Kopftuchdebatten.

Pluralismus ist das Mantra, Pluralismus und Toleranz. Der Architekturpreis ist nur ein sichtbarer Ausdruck der Geisteshaltung, die alle Aktivitäten des Aga Khan prägt. Sein "Development Network" ist eine der größten privaten Entwicklungshilfeorganisationen der Welt, für die über 60.000 Menschen in rund 30 Ländern arbeiten. Immer geht es um die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Ärmsten der Armen. Das Credo des Aga Khan lautet: "Trust the people", was übersetzt zweierlei Bedeutungen hat: Vertraut den Menschen - und: Traut den Menschen etwas zu, gebt ihnen Verantwortung. Für die sukzessive Sanierung der Altstadt Kairos beispielsweise werden die Bewohner in den erforderlichen Berufen ausgebildet. Mehrere Fliegen werden dadurch mit einer Klappe geschlagen: Die unterprivilegierten Slumbewohner erhalten eine Ausbildung, verdienen Geld und gleichzeitig verbessern sie selbst ihr gebautes Umfeld.

Der Aga Khan Award for Architecture ist ein Leuchtturmprojekt, von dem die westliche Welt viel lernen kann. Er ist getragen von einer humanistischen Geisteshaltung, die für Menschenwürde, Toleranz, Mitgefühl und Vielfalt steht, wichtige Prinzipien, die im Koran verankert sind. Die Verleihung wäre für viele westeuropäische Medien eine "Bildungsquelle" gewesen.

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