Tschechisch und technisch

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Das Nationale Technische Museum in Prag ist erstmals seit der Gründung im Jahr 1908 im vollen Umfang zugänglich. Berührungsängste hinsichtlich der gemeinsamen Geschichte mit Österreich gibt es keine.

Ähnlich dem Nationaldenkmal auf dem Vítkov-Hügel liegt das Prager Technische Museum abseits der touristischen Trampelpfade und entspricht auch nicht dem Klischee Prags als Stadt der Vergangenheit. Wer jedoch einen Zugang zur tschechischen Geschichte nach 1918 und damit auch zur Gegenwart sucht, wird gerade an diesen Orten fündig - auf dem Vítkov mit einer monumentalen Emanation des tschechischen Nationalbewusstseins und auf den Letná-Höhen mit einer nüchternen Präsentation tschechischer Errungenschaften.

Wie es der Zu-, aber auch Glücksfall so will, war der Kunsthistoriker und Denkmalschützer Karel Ksandr als Stellvertretender Generaldirektor des Nationalmuseums zunächst für die Restaurierung und Adaptierung des Nationaldenkmals und danach als Generaldirektor des Nationalen Technischen Museums auch für dessen Neugestaltung verantwortlich. Wie zu erwarten war, hat er auch diese Aufgabe ohne die Scheuklappen eines engstirnigen Nationalismus gelöst.

Von Masaryk bis Zeman

Sorgte Ksandr auf dem Vítkov für eine explizit selbstkritische Darstellung der wechselhaften tschechischen Geschichte im 20. Jahrhundert, so ließ er im Technischen Museum die gezeigten Objekte, versehen nur mit sachlichen Legenden in tschechischer und englischer Sprache, möglichst selber sprechen. So findet man in der zentralen Verkehrshalle Autos, mit denen Staatsgründer Tomásˇ G. Masaryk, der Staatssekretär im Reichsprotektorat Karl Hermann Frank, die kommunistischen Granden sowie nach der Wende die Präsidenten Václav Havel, Václav Klaus und als Regierungschef deren nunmehriger Nachfolger Milosˇ Zeman gefahren sind.

Keinerlei Berührungsängste zeigen Ksandr und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch hinsichtlich der gemeinsamen österreichischen Geschichte. So begegnet man in den völlig neu konzipierten Abteilungen über das Bergwerks- und Hüttenwesen Büsten von Kaiser Franz Josef und dem Deutschordens-Hochmeister Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, und der Schiffsschrauben-Schöpfer Josef Ressel, der einst von Tschechen und Deutschen gleichermaßen für sich reklamiert wurde, firmiert neutral als "gebürtig aus dem ostböhmischen Chrudim“.

Flaggschiff des Österreichbezugs ist der in der Ringhoffer’schen Maschinenfabrik in Prag-Smíchov erzeugte Speisewagen des kaiserlichen Hofzugs. Entworfen hat ihn Jirˇí Stibral, der in der Republik die Kirche am Patriarchat der jungen Tschechoslowakisch-Hussitischen Kirche planen sollte, und das Deckengemälde schuf Frantisˇek Zˇenísˇek, der wesentlich an der Ausschmückung des Nationaltheaters beteiligt war. 1923 wurde der Waggon dem Präsidentenzug einverleibt und noch 1945 war er Bestandteil des Zuges, mit dem Präsident Benesˇ aus dem Exil nach Prag zurückkehrte.

Dass der Anteil der Deutschen an der Vormachtstellung der böhmisch-mährisch-schlesischen Industrie in der Donaumonarchie zwar nicht negiert, aber auch nicht thematisiert wird, ist dem Museum nicht vorzuwerfen, verdankt es sein Entstehen doch national tschechischen Impulsen. Den ersten Anstoß gab 1862 Vojteˇch Náprstek, die Gallionsfigur des fortschrittlichen Tschechentums. Nach der Revolution von 1848 verbrachte der frühere Adalbert Fingerhut zehn Jahre in den USA, von wo er begeistert von liberalen Ideen, aber auch vom technischen Fortschritt heimkehrte.

1908 kam es über Initiative von Professoren der Tschechischen Technischen Hochschule (CˇVUT) zur Gründung des Vereins des "Technischen Museums des Königreiches Böhmen“; zwei Jahre später fand die erste Ausstellung im Palais Schwarzenberg auf dem Hradschin statt. Doch während das Gebäude des Technischen Museums in Wien im letzten Jahr der Donaumonarchie eröffnet werden konnte, ließ der Bau eines Pendants in Prag auf sich warten. Der Spatenstich des funktionalistischen Gebäudes erfolgte erst im Oktober 1938, wenige Tage nach dem verhängnisvollen Münchener Abkommen, fertig gestellt wurde es 1942 im Protektorat Böhmen und Mähren und statt der vorgesehenen Ausstellungsgegenstände wurde die Post einquartiert.

70-jährige Verspätung

Nach der kommunistischen Machtergreifung wurde das Museum verstaatlicht und sein Betrieb systematisch vorangetrieben, aber noch nach der Samtenen Revolution von 1989 wurde ein Drittel der Räumlichkeiten vom Innenministerium und vom Geodetisch-Karthographischen Institut benützt.

Nach vierjähriger Schließung wurde das Museumsgebäude 2011 wieder zugänglich gemacht, 2012 mit siebzigjähriger Verspätung kollaudiert. Und selber staunend über den verzögerten historischen Augenblick konnte Generaldirektor Ksandr am 8. Oktober 2013 mit tschechischem Sprachwitz den Abschluss aller Arbeiten und die Eröffnung auch der letzten Abteilungen verkünden: "Konecˇneˇ dokoncˇeno“ ("Endlich vollendet“).

www.ntm.cz

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