ÜBER LIEBE SCHREIBEN

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Weihnachten - das Fest der Liebe? Die Literatur weiß bekanntlich die Abgründe selbst der glücklich wirkenden Familie zu entlarven. Wie Liebe überhaupt, ihr Glücken und ihr Scheitern, das Thema der Literatur ist und bleibt. Und das Geschäft mit der Sehnsucht rentiert sich: Beziehungsgeschichten sind und bleiben Goldgruben. Die Schablonen, die dabei wieder und wieder erfolgreich angewandt werden, konstruieren auch unsere Vorstellung von Liebe. Die Soziologin Eva Illouz hat in ihrem neuesten Buch "Warum Liebe weh tut" (Suhrkamp 2011) auf diesen Zusammenhang hingewiesen.

Wer aber beim Schreiben über die Liebe versucht, Schablonen und Kitsch zu vermeiden, hat es nicht leicht. Welche Sprache steht denn zur Verfügung, ist nicht vieles längst abgegriffen und schal, selbst das Provokante? Und der kümmerliche Wortschatz glänzt weniger als Schatz denn als Müllhalde. Kann man noch eine Formulierung wie "Ich liebe dich" sagen oder in einen Roman einbauen, ohne zugleich Ironiezeichen dazu zu setzen? Aber wie sollte es ohne Liebeserklärung gehen? Sie fixiert ja den Zufall, wie es Stéphane Mallarmé einmal ausdrückte. Seine Formulierung ("dass der Zufall endlich fixiert ist") bezog sich aber nicht auf die Liebe, sondern auf das Gedicht. Das erwähnt Alain Badiou in seinem "Lob der Liebe" (Passagen 2011), fügt jedoch sogleich hinzu: "Aber man kann sie durchaus auf die Liebe und auf die Liebeserklärung anwenden, mit all den schrecklichen Schwierigkeiten und unterschiedlichen Ängsten, die damit verbunden sind."

Immer steht sie für mehr

Die arme Liebe ist zudem mit Bedeutung überfrachtet. Alles muss sie tragen. Die Liebe in der Literatur ist, schrieb Peter von Matt einmal, "nie einfach eine Fallstudie über das Paarungsverhalten in einer bestimmten Zeit und Gesellschaft, sondern sie ist das symbolische Geschehen schlechthin. Nur deshalb geht es ja in der Literatur immer und überall um die Liebe, weil sich in ihr wie in einer Spiegelscherbe alle Probleme der Welt spiegeln können. Jederzeit steht sie für mehr." Denn sie erzählt "stellvertretend von der Menschwerdung überhaupt", "von deren Sinn und ihrer Sinnlosigkeit und von allen Dimensionen der Zivilisation, die davon berührt werden: Politik, Gesellschaft, Natur, Technik und Wissenschaft."

Was aber ist Liebe? Auch an dieser Frage arbeitet sich die Literatur ab. Gegen jene Schablonen, die das Einswerden vorgaukeln wollen, lässt sich Badious Definition von Liebe lesen: "Was ist die Welt, wenn man sie zu zweit und nicht alleine erfährt? Was ist das für eine Welt, die ausgehend vom Unterschied und nicht von der Identität erforscht, praktiziert und gelebt wird? Ich denke, dass das die Liebe ist."

Das nächste BOOKLET erscheint am 5. Januar 2012 als Beilage in der FURCHE Nr. 01/12

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