Überdeutlicher Fingerzeig in die politische Gegenwart

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Zum 200. Todestag Heinrich von Kleists zeigt das Akademietheater den "Zerbrochnen Krug“. Hausherr Matthias Hartmann als Regisseur liefert eine entschlackte Version des Lustspiels.

Heinrich von Kleist hat bis zu seinem Tod am 21. November 1811 an der Komödie gearbeitet, die kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe 1808 in Weimar uraufführte. Damals fiel das Stück durch. Bis heute streiten Theater- und Literaturwissenschaftler über die Qualität von Kleists Parodie auf Justiz und Obrigkeit, wehmütig wird an Andrea Breths Inszenierung 1990 mit Traugott Buhre in der Hauptrolle gedacht, und ein wenig ratlos, wenn auch gut unterhalten, wirkte das Premierenpublikum am letzten Sonntag.

Die Sauerei wird zugedeckt

Auf der nackten Bühne (Stéphane Laimé) des Akademietheaters stapft die Bevölkerung des niederländischen Dorfes Huisum durch den Dreck. Mitten in dieser Sumpflandschaft ist ein weißes, quadratisches Podest eingerichtet, (anscheinend) makelloser Ort der Gerechtigkeit. Hier wohnt das Gericht, dessen Aufgabe darin besteht, der Wahrheit ihren Platz zu verschaffen. Doch die unschuldige Fläche bleibt nicht lange weiß, Dorfrichter Adam (Michael Maertens) blutet und kotzt auf die frische Fläche, symbolstark wird die Sauerei mit einem Hemd zugedeckt.

Die Ehrfurcht vor dem Ort des Rechts bleibt noch lange aufrecht, der blinde Glaube der Huisumer, ihr Vertrauen in die Obrigkeit wird zum tragikomischen Moment, da Korruption und Lüge längst nicht mehr zu übersehen sind. Besonderes Augenmerk verleiht Hartmann der Rolle des Gerichtsrates Walter (Roland Koch). Scheinbar überkorrekt, gut frisiert und im perfekt sitzenden Anzug kommt der Revisor aus Utrecht, der gerade im Nachbardorf mit eisernem Besen gekehrt hat, um die Kassen und die hiesige Ordnung zu prüfen. Doch am Ende versinkt auch er, nicht weniger korrupt als der kleine Dorfrichter, im Sumpf der Scheinheiligkeit und egoistischen Interessen.

Im Zusammenspiel mit Maertens ergeben sich höchst komische Momente, versucht doch der Dorfrichter mit allen Mitteln, die Tat zu vertuschen und verstrickt sich dabei selbst in immer durchsichtigere Lügen. Der karrieristische, buckelnde Schreiber Licht, den Juergen Maurer herrlich anbiedernd gibt, setzt dem immer noch eins drauf. Und als schließlich Maria Happel als Eves Mutter Marthe Rull auftritt, geschwätzig und auf Macht bedacht, sich ihres ausladenden Dekolletés sowie der schlanken Fesseln bewusst, und eine umständliche Beschreibung des zerbrochnen Kruges abgibt, gewinnt das Spiel an echter Verve.

Stillstand in der zweiten Hälfte

In der zweiten Hälfte allerdings kommt die pausenlose zweistündige Inszenierung zum Stillstand, und die Geschichte bleibt an der Rampe kleben. Daran kann auch Yohanna Schwertfeger als Eve nichts ändern, im Gegenteil, unentschieden ist sie freche Göre und hilflose Dorfschönheit, die ihre nackte Schulter bei jeder Gelegenheit preisgibt.

Trotz Hartmanns "rasch durchgeführter Handlung“ (Goethe) und einiger Kabinettstücke der Burg-Stars präsentiert sich die Inszenierung undefiniert und konzeptlos, mit überdeutlichem Fingerzeig in die politische Gegenwart.

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