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Selbstinszenierungen von Egon Schiele und Horst Janssen im Wiener Leopold Museum.

Die Macht der großen Gefühle trifft jeden Menschen dann und wann. Manche erkennen sie, viele verdrängen sie, wenige leben sie in der Parallelwelt der Kunst. Dann und wann präsentieren sich die großen Gefühle als übergroß, ihre Macht wird zur Übermacht. Wie ein irdisches Alpha und Omega drängen sich dann Eros und Tod in die erste Reihe, in den Vordergrund des Sichtbaren. In hintergründigen grafischen Spuren tauchen sie auf den derzeit im Leopold-Museum parallel präsentierten Blättern von Egon Schiele und Horst Janssen an die Oberfläche. Verloren in der Übergröße dieser Gefühle suchen die beiden nach Egon, genannt Schiele und nach Horst, genannt Janssen. Jeder für sich, und ununterbrochen. Angekommen sind sie durchaus wo anders.

Die zeichnerischen Selbstanalysen und das Auskosten der großen Gefühle von Egon Schiele kennt man hierzulande natürlich besser als die zeitlich etwas versetzten Parallelversuche des aus Oldenburg stammenden Horst Janssen. Schiele ist Zeitgenosse der Versuchsstation für den Weltuntergang im Wien der Nachjahrhundertwende, Janssen, möchte man beinahe sagen, Versuchskaninchen des aus dem Labor entkommenen Weltuntergangs. Angeblich bestraft die Geschichte ja diejenigen, die zu spät kommen. Entschieden und mit aller Kraft geben sich beide dem Untergang hin, aber nicht in einer stumpfen und willfährigen Ergebenheit, sondern im Ummodeln zu einem mit jedem Strich proklamierten Neuanfang: Das alter ego, die Selbstinszenierung auf ihren Blättern, changiert zwischen Eros und Tod, feiert überschwängliche Hochzeiten zwischen den beiden - und ist selbstverständlich für die Ewigkeit bestimmt.

Janssen, wie Schiele auch schriftstellerisch nicht unbegabt tätig, hebt die Verbindung dieser unterschiedlichen Paare aus einer billigen Todessehnsucht heraus. "Wohlverstanden bitte: ich HASSE das Sterben aus der Krankheit oder Grausamkeit! Aber der Tod - ER ist eine feste Burg' - ER ist die Stillung meiner Sehnsucht nach Sicherheit: Alle Depressionen verflüchtigen sich, wenn ich an IHN denke. In seiner Gewissheit fühle ich mich auf dem Weg nach Haus' - wobei ich natürlich den Weg genieße - SEHR. Und es ist auch noch ein langer Weg, und mein Genuß wird größer sein, als Ihr Euch vorstellen könnt." Nicht nur der Blick auf seine Arbeiten macht sehr schnell klar, dass sich dieser Genuss vor allem aus den Angeboten der Erotik nährt, die er zunächst als beinahe hehre Vorstellung präsentiert. "Wer die Möglichkeit und die Grenzen der Erotik nicht kennt, ist ebenso verbogen, wie ein Mensch, der keine inneren Erfahrungen gemacht hat."

Schautraining

Ein genauerer Blick kontrastiert allerdings die vorgegebene Meinung und die grafischen Umsetzungen. Dort degenerieren die Paare zu "Liebesmaschinen", der sexuelle Akt als ambivalentes Spiel zwischen Zuneigung und Machtausübung darf sich zeichnerisch frei entfalten. Die hochgetrimmte Spannung zwischen Zärtlichkeit und rauer Körperlichkeit, die Schieles Liebespaare zum Erlebnis machen, kippt hier in Einseitigkeit.

Es ist der Gegenüberstellung in dieser Schau zu verdanken, dass einem klar vor Augen geführt wird, wie knapp beieinander zeichnerische Meisterschaft und die Anwärterschaft darauf liegen. Als perfekte Möglichkeit zum Schautraining am Original springt eine zwar anachronistische, aber umso zentralere Eigenschaft der Kunst hervor: dass bloße technische Perfektion, die nur allzu oft gekünstelt in vorgetäuschte Andeutungen abgleitet, noch lange nicht zu einem "Jahrhundertkünstler" reicht.

Egon Schiele / Horst Janssen:

Selbstinszenierung, Eros und Tod

Leopold Museum, Museumsplatz 1

im Museumsquartier, 1070 Wien

Bis 28. 6. Mi-Mo 10-19, Fr bis 21 Uhr,

Feiertage 10-19 Uhr;

ab 1.6.: Do 10-21, Fr 10-19 Uhr

Katalog: Stadt Oldenburg (Hg.), Egon Schiele / Horst Janssen: Selbstinszenierung, Eros und Tod, mit Beiträgen u.a. von Claudia Breitkopf-Weinmann, Rudolf Leopold und Jutta Moster-Hoos, Isensee Verlag, Oldenburg 2004, 179 Seiten, E 18.50

Interessante Begleitveranstaltungen:

Info unter www.leopoldmuseum.com

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