Um das schreibende Ich

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Die Assoziationsketten von Endre Kukorelly kommen immer wieder auf die Sprache zurück.

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Die Assoziationsketten von Endre Kukorelly kommen immer wieder auf die Sprache zurück.

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Durch den Ungarn-Schwerpunkt der letzten Frankfurter Buchmesse hat eine wahre Übersetzungswelle eingesetzt, durch die auch Texte ungarischer Autoren abseits des Mainstreams den Weg in unsere Buchhandlungen gefunden haben. Einer von ihnen ist Endre Kukorelly. 1951 geboren, lebt er als freier Schriftsteller in Budapest, schreibt Gedichte, Prosa und Essays und ist in Ungarn längst kein Unbekannter mehr. Im deutschen Sprachraum war von ihm bisher allerdings nicht allzuviel zu lesen. 1997 erschien im Droschl-Verlag "Die Gedächtnisküste", eine Prosasammlung von Erinnerungen an Kindheit und Heranwachsen im kommunistischen Ungarn, und nun sind zwei weitere Werke Kukorellys auf Deutsch zu lesen: "Die Rede und die Regel - Erzählungen" und "Lieblyng. Texte über Lit., Mus. usw."

Immer wieder kreist Kukorelly um das Thema der zwischenmenschlichen Beziehungen vor und nach der Wende. Die Jahre des "real existierenden Sozialismus" haben ihn stark geprägt und die vielen kleinen Perversionen des kommunistischen Alltags sind - mehr oder weniger verschlüsselt oder metaphorisch - in seinem Texten fast allgegenwärtig.

Aber das Epizentrum seiner Thematik sind die Sprache, unser Umgang mit ihr, die Sprach-Rituale, das Versagen der Kommunikation und das Bedürfnis des Sich-Mitteilens, das uns und unsere Umgebung prägt und das Klima einer Gesellschaft bestimmt. Programmatisch schon der Titel des Bandes "Die Rede und die Regel", in dem Kukorellys in Erzählungen verpackte Reflexionen im Märchenhaften beginnen, um sich immer mehr der Realität anzunähern. Begegnungen werden seziert, um dann doch wieder in Fiktion und Phantasie zu enden.

Im Grunde genommen ist jeder dieser Texte eine Auseinandersetzung mit dem schreibenden Ich, seinen Grenzen und Möglichkeiten. Explizit kommt dies zum Ausdruck in "Lieblyng", den Texten über Literatur, Musik "usw.".Dieses "usw." ist so vielgestaltig, daß es schwer zu fassen ist, es garantiert dem Autor, daß er sich thematisch nur ja nicht einschränken muß, und so schwadroniert er auch quer durch die Kunstgattungen, macht aber auch nicht Halt vor Geld oder Fußball, und landet schließlich oft wieder beim Schreibprozeß.

Kukorellys Texte gleichen Assoziationsketten, von denen man anfangs nie weiß, wohin sie führen werden, sie scheinen so sprunghaft und zufällig zu sein wie das Leben.

Die Rede und die Regel. Erzählungen von Endre Kukorelly Übersetzung: Hans Skirecki edition suhrkamp, Frankfurt/M 1999. 175 Seiten, Tb., öS 123.-/e 8,94 Lieblyng. Texte über Lit., Mus. usw.. Von Endre Kukorelly Übersetzung: Edit Baranyai, György Buda u.a.

Edition Solitude, Stuttgart 1999. 144 Seiten, geb., öS 218.-/e 15,84

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