Unbelastete Unterhaltung

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Das Theaterfest Niederösterreich startet. Doch nicht nur dort wird im Sommer gespielt.

Dass die niederösterreichischen Sommertheater formal neue Wege gehen, wie das für Johann Nestroys "Der Zerrissene" angekündigt wird, ist zwar nicht zu erwarten, aber insgesamt versprechen die 29 Neuinszenierungen an 23 Orten ein facettenreiches Programm in Sachen leicht-spritziger Unterhaltung.

Opern-, Operetten-, Musical- und Schauspielproduktionen haben sich zur gemeinsamen Plattform "Theaterfest Niederösterreich" zusammengetan, doch Achtung: Nicht alle Veranstaltungen sind dabei. Helga David inszeniert im Thalhof in Reichenau Thomas Bernhards "Vor dem Ruhestand" sowie Arthur Schnitzlers Episodenfolgen aus dem "Anatolzyklus". Auch das Wald4tler Hoftheater ist auf der Plattform nicht zu finden, obwohl gerade in Pürbach ein besonders vielfältiges Programm für ein breites Publikum eingerichtet wurde. Justus Neumann etwa ist mit seinem "Circus Elysium" vertreten, Ernest Thompsons Schauspiel "Das Haus am goldenen See" verfolgt eine berührende Geschichte über das Älterwerden und den Generationenaustausch.

Das heißt, dass neben organisierten Produktionen auch unabhängige Gruppen recht erfolgreich im Sommer Theater spielen. Eigenartig, dass sie nicht auf der Plattform bzw. im gedruckten Programmheft zu finden sind, immerhin liegt der Löwenanteil der Sommerproduktionen beim Sprechtheater.

Für das sommerliche Schauspiel lassen sich drei Gruppen bestimmen: das klassische literarische Schauspiel, Klassiker-Bearbeitungen sowie eigens für den jeweiligen Raum eingerichtete Stücke.

Für letzteren Bereich darf man besonders auf Paulus Hochgatterers "Casanova" gespannt sein. Hochgatterer hat für die Donauarena Melk Giacomo Casanovas Biografie als Fallstudie einer ambivalenten Persönlichkeit herangezogen. Vor der imposanten Kulisse des Stiftes wird "Casanova oder Giacomo brennt" als umfassendes Bild dieses Virtuosen des Geistes und der Sinne inszeniert.

Casanova in Melk

Überhaupt hat Melk in den letzten Jahren einen sehr professionellen Eindruck vermittelt. Intendant Alexander Hauer setzt auf Stoffe der Weltliteratur, die er auch selbst in Szene setzt. In Melk sind es die spektakulären Geschichten, die zeitgemäß in den Raum adaptiert werden, und weniger das Aufgebot großer Stars. Der unprätentiöse Schriftsteller und Psychoanalytiker Hochgatterer garantiert mit diesem Auftragswerk ein psychologisch durchdachtes, spannendes Schauspiel. Er situiert seinen Casanova als lebensbejahenden Genussmenschen und zugleich verzweifelt Suchenden in sein Zeitalter - also jenes der Aufklärung, das den historischen Rahmen bildet.

Im Bereich der Klassiker-Bearbeitungen setzt man heuer auf niveauvoll-zeitgemäße Komik: Adi Hirschal, Intendant im Freilichttheater Haag, hat sich mit der Dramaturgin Susanne F. Wolf zusammengetan, die Oscar Wildes "Das Gespenst von Canterville" als Vorlage für ein Spukstück herangezogen hat. Auch in Laxenburg ist das Duo Wolf/Hirschal aktiv, hier wird eine wienerische Adaptierung von Shakespeares "Viel Lärm um nix" zu sehen sein. Laxenburg ist nicht nur Ort der Aufführung, sondern auch Schauplatz im Stück, bezeichnenderweise, da bei vielen Produktionen die Identifikation mit der Region bzw. dem konkreten Aufführungsort ein typisches Merkmal darstellt.

Die Festspiele Reichenau feiern heuer ihr 20-jähriges Bestehen in der Organisation der Familie Loidolt. Hier setzt man in erster Linie auf bekannte Namen: Zum Jubiläumsjahr wurde Altmeister Hermann Beil eingeladen, Goethes "Wahlverwandtschaften" für die Bühne einzurichten (mit Julia Stemberger und Martin Schwab). In Reichenau führt auch Burgschauspielerin Maria Happel Regie, diesmal inszeniert sie Nestroys "Der Zerrissene". Laut Ankündigung lässt Happel "neue Wege erwarten" - inwiefern Nestroy hier eine innovative Interpretation erfährt, wird man sich ansehen müssen. Auch haben sich Bühnenbearbeitungen von Stefan Zweig als erfolgreiche Sommer-Produktionen erwiesen, mit Alfred Kirchner (als "Regiestar" angekündigt) ist "24 Stunden aus dem Leben einer Frau" in der Dramatisierung des österreichischen Krimiautors Stefan Slupetzky am Spielplan. Im Jubiläumsjahr wurde das Programm um eine weitere Produktion ergänzt bzw. mit einem Autor gefeiert, mit dessen Revuen 1988 die Festspiele gestartet wurden: Karl Farkas' "Parkbank-Philosophen" sind als durchgängiges Stück mit Publikumsliebling Nicholas Ofczarek und Nicolaus Hagg zu sehen.

Nestroy in Schwechat

Weniger Stars, dafür mehr Beschäftigung mit dem Werk vermitteln die Schwechater, die mit ihrem Nestroy-Ensemble heuer "Umsonst" spielen und ihre Aufführungspraxis mit den theoretischen Ergebnissen der hochkarätig besetzten Nestroy-Konferenz verbinden. Schwechat ist damit ein Ausnahmespielort, der Theorie und Praxis in einen seit Jahren lebendigen Dialog stellt.

Im Sommer zeigen vor allem auch Schauspieler organisatorisches und inszenatorisches Interesse und Talent. Josefstadt-Schauspieler Alexander Waechter setzt auf der Rosenburg auf Klassiker. Hier inszeniert heuer wieder Birgit Doll, diesmal Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig". Und in Aspern zeigt Harald Posch Melchior Lengyels Satire "Noch ist Polen nicht verloren". Damit stellen sich nur wenige Gruppen mit ihrem Verständnis von Theater Fragen einer und an eine heutige Gesellschaft. Die Sommertheater sind vielmehr Orte der regionalen Affirmation, sie sind Erholungsräume, die unbelastete Unterhaltung erzielen.

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