Unbeugsam ungehorsam, unverbogen treu

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Für Rabbiner war es üblich, zusätzlich ein Handwerk zu lernen. Peter Paul Kaspar, gebürtig aus der transdanubischen Vorstadt Wiens, wählte ein Handwerk im wörtlichen Sinn und schlägt die Tasten: Er spielt die Orgel und das Cembalo, und seine musikalische Ausbildung bei Anton Heiller schloss er sogar ein Jahr vor seinem Theologiestudium ab. Er hörte noch lateinische Vorlesungen bei Karl Rahner, wenn dieser in den Pausen des Konzils in Innsbruck die versäumten Lehrveranstaltungen nachholte. Die ersten Stationen seines Lebens als Priester waren Hainburg und Bruck a. d. Leitha, aber bald verschlug es ihn nach Wien. Er lehrte an Schulen aller Stufen und brachte es schließlich zum gesamtösterreichischen Jugend-und Studentenseelsorger. Ein Posten dieser Art gilt traditionell als Himmelfahrtskommando, weil die Solidarität mit den Jugendlichen und die Vorstellungen der Hierarchie kaum kompatibel sind. Kaspar ließ sich auf keine Kompromisse ein und wählte die "Himmelfahrt" - nach Linz. Der damalige Linzer Bischof Maximilian Aichern nahm den aus Wien flüchtigen Kaspar auf und verhalf ihm solcherart zur vollen Entfaltung seines Charismas. In Linz war Peter Paul Kaspar Akademiker-und Studentenseelsorger. Seit 1986 leitete er die Ursulinenkirche an der Linzer Landstraße und schuf aus ihr ein Zentrum mit Strahlkraft über die Grenzen des traditionellen katholischen Milieus hinaus. Kaspar lehrte an der Bruckner-Universität, er gibt Konzerte und musiziert auch in evangelischen Kirchen. Seine doppelte Sicht auf die Welt als Künstler und Seelsorger nimmt ihm jede Scheu vor Andersgläubigen und Nicht-Gläubigen und verhilft ihm zum kritischen Blick auf die eigene Kirche. Kaspar ist Mitglied des Pen-Clubs, war bei "Wir sind Kirche" engagiert und ist Mitglied der Pfarrer-Initiative; dort ist sein Verdienst das Wort "Ungehorsam" im Titel des Aufrufs zu einer anderen Seelsorge. Zahllose Texte entstammen Kaspars Feder. Er schrieb über 30 Bücher zu religiösen und musikalischen Themen. Er selbst ging unbeschädigt aus dem Knabenseminar Hollabrunn zur Zeit des Hans Hermann Groër hervor, setzte sich aber damit in zwei Büchern auseinander. Kaspar kommt aus der lange behinderten Konzilszeit. Papst Franziskus macht auch ihm Hoffnung, aber umso zorniger werden Kaspars Texte über die klerikale Reformfeindlichkeit. Die Treue zur Kirche ist in seiner Kritik enthalten. Er war nie leise und wird es nicht werden, auch wenn er nach dem Festtag Peter und Paul seinen 75. Geburtstag feiert.

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