Und der Teufel schaukelt immer mit

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In der Wiener Volksoper wurde Ernst Kreneks Werk "Kehraus um St. Stephan" aufgeführt. Regisseur Michael Scheidl hält sich mit seiner Arbeit bewusst im Hintergrund.

Noch einmal, im Dezember 1990, führte den damals 90-jährigen Ernst Krenek die Reise in seine Geburtsstadt Wien. Was 1930, im Jahr der Entstehung des Werks, politische Bedenken in Leipzig vereitelt hatten, sollte nun in Wien durch Mitglieder der Wiener Staatsoper im Ronacher Wirklichkeit werden: die Uraufführung seiner Satire in zwei Teilen und 19 Szenen "Kehraus um St. Stephan". Es wurde ein heftig akklamierter Erfolg. Ein knappes Jahr später verstarb Krenek in seinem ihm seit Jahrzehnten als neue Heimat dienenden kalifornischen Domizil Palm Springs.

Kreneks Erinnerungen an die Volksoper

Jetzt hat man sich dieses Stücks wieder erinnert. Premiere hatte die Produktion vergangenen Sommer bei den Bregenzer Festspielen, anschließend wurde sie in Luzern gezeigt, jetzt ist sie an der Volksoper gelandet, jenem Haus, in dem Krenek seine ersten Erfahrungen mit dem Genre Oper machte. Webers "Freischütz" galt der erste Opernbesuch des damaligen Volksschülers und Offizierssohns Krenek, kann man seinen in bester Karl Kraus-Manier formulierten Erinnerungen entnehmen.

Offiziere sind es auch, die einem in dieser im Wien des Winters 1918 spielenden Satire, deren Text ebenfalls Krenek zum Autor hat, begegnen. Zuvorderst der ehemalige k.u.k. Rittmeister Othmar Brandstetter, der in selbstmörderischer Absicht auf einem Baum hängt, von dort durch den Weinbauer Kundrather und seine Kinder gerettet wird und schließlich, nach einem Intermezzo als Ausrufer im Prater, seine geliebte (Ex-)Gräfin Elisabeth in die Arme schließen kann. Oder der vom Reserveoffizier zum erfolgreichen Industriellen aufgestiegene Alfred Koppreiter. Er muss miterleben, wie durch eine gezielte Intrige sein Wirtschaftsimperium zusammenfällt, und er entzieht sich der Verfolgung durch Verkleidung als geschwärzter Araber. Als er sieht, wie die von ihm heiß umworbene Elisabeth von seinem großspurigen Kompagnon Kabulke geküsst wird, verliert er die Nerven und erschießt sich.

Filmisch ablaufender Totentanz

Dass die Kinder des Weinbauern, anstelle im Weinberg zu arbeiten, sich lieber für politische Agitationsarbeit bezahlen oder sich ein Modestudio einrichten lassen, der ehemalige Honvedmajor Emmerich von Kereszthely mit seiner selbstherrlichen Manier als Personalchef Koppreiters scheitern muss, der Oberwachmann Sachsl (köstlich Gerhard Ernst) stumpfsinnig eine Leiche sucht, die es nie gegeben hat, das Volk sich durch Zeitungsberichte locker manipulieren lässt, der Intrigant Erich Atma Rosenbusch für seine Machenschaften schließlich selbst mit dem Tod büßen muss, sind die weiteren Themen dieser als Wiener Totentanz zu verstehenden, bewusst filmisch ablaufenden Szenenfolge. Folglich fährt der Tod, meist in einer an der Decke baumelnden Schaukel, den Abend über mit.

Dunkel wie das Schicksal vieler Protagonisten ist auch das von Nora Scheidl entworfene Bühnenbild, in dem sich mit einigen wenigen Requisiten stets das erforderliche Ambiente herstellen lässt. Auch Regisseur Michael Scheidl hält sich mit seiner Arbeit bewusst im Hintergrund. Er folgt mit seiner sensiblen Personenführung penibel dem Gestus der sich von Schubertnähe bis zu aleatorischen Episoden entfaltenden, die Scheinidylle mit sarkastischen Untertönen unterstützenden wie konterkarierenden Musik. Selbst auf so strenge Formen wie Fuge und Kanon hat Krenek hier zurückgegriffen.

Roman Sadnik gibt, zuweilen in der Höhe angestrengt, den sensiblen Brandstetter, Albert Pesendorfer einen robusten Kundrather, Christian Drescher und die kurzfristig eingesprungene Simona Eisinger seine von den Verlockungen der neuen Zeit korrumpierten Kinder. Sebastian Holecek spielt den gescheiterten Industriellen, Michael Kraus den hinterhältigen Erich Atma Rosenbusch, Wolfgang Gratschmaier den zum Untergebenen gewordenen Honvedmajor, Lars Woldt den überheblichen Berliner Kabulke, Elisabeth Flechl die noch ganz der Monarchie verpflichtete Elisabeth. Solide assistierte das Orchester unter dem umsichtigen Gerrit Prießnitz, gut vorbereitet zeigte sich der von Michael Tomaschek einstudierte Chor.

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