Und ewig lockt das Klischee

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Wie salonfähig ist Sexismus in Österreich? Das geschmähte Video des Bundesheers macht erneut deutlich, dass sich typische Geschlechterklischees nur allzu hartnäckig halten.

Diese Aufregung hat dem österreichischen Bundesheer gerade noch gefehlt: Neben Meldungen von desolaten Kasernen und steigenden Zahlen untauglicher Männer wurde die Heeresführung noch mit einem Vorwurf konfrontiert, auf den man nicht gefasst war: Sexismus im Heer. Stein des Anstoßes war ein Werbevideo. Jugendliche sollte eine Karriere beim Heer schmackhaft gemacht werden. Zahlreiche andere Spots waren schon auf der Homepage des Bundesheers gelaufen. Und dann dieser: Da sitzen ein paar modische junge Frauen zusammen mit einem machomäßig auftretenden Mann auf dem Heck seines Autos. Plötzlich rollt ein Panzer heran, ein Soldat fragt: „Na, Mädels, Lust auf eine Spritztour?“ Sie haben Lust, lassen den Macho stehen und laufen dem Panzer nach. Das Video überlebte keinen Tag auf der Bundesheer-Webseite – für viele, die hinklickten, war es ein klar sexistisches Video. Als die Aufregung ins Büro von Verteidigungsminister Norbert Darabos vordrang, handelte dieser rasch: Das Video wurde entfernt. Seither kann es auf „YouTube“ betrachtet werden.

Der Minister war verärgert und kündigte Konsequenzen an. Dem Kurier sagte er, dass ab sofort jede Marketingmaßnahme über sein Büro und das der Gleichbehandlungsbeauftragen gehen müsse. Zudem entschuldigte er sich bei den Frauen. Dabei sei ja alles nicht böse gemeint gewesen, versichert die Sprecherin des Verteidigungsministeriums, Ute Axmann gegenüber der FURCHE: Es wäre ironisch gemeint gewesen, das sei daneben gegangen. Das Heer ziehe jedenfalls seine Lehren aus dem Fall: „Wir müssen uns in Zukunft genau überlegen, welche Werbung wir als öffentlich-rechtliches Unternehmen machen dürfen.“ Für Axmann war das Video ein „Ausreißer“. Sexismus sei im Bundesheer kein Problemfeld.

Ob missglückte Überspitzung von Geschlechterklischees oder plumper Sexismus – der Skandal um das Video lenkt wieder die Diskussion auf die Frage: Wie salonfähig ist Sexismus in diesem Land?

Immer noch weit verbreitet

Frauenminister Gabriele Heinisch-Hosek (siehe Interview links) macht deutlich: Er ist es immer noch, so ihre Diagnose. Die SP-Ministerin überlegt daher eine gesetzliche Möglichkeit, um sexistische Werbung zu verbieten und zu sanktionieren. Auch für Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz, steht fest: Sexismus ist noch immer sehr salonfähig. Sie führt das auf verschiedene Ursachen zurück: Die geringe Repräsentanz von Frauen in der Politik und Wirtschaft, die Bilder in Medien und Werbung – all das führe dazu, dass Frauen nicht auf Augenhöhe begegnet werde. Heinisch-Hosek lässt im Interview mit ihrer Erklärung aufhorchen: „Wir leben in einem patriarchalen System.“

Die Politik tue zu wenig, beschwert sich indes Maggie Jansenberger dennoch. Engagierte Frauen in Graz wurden daher selber aktiv und gründeten im vergangenen Jahr die „Watchgroup gegen sexistische Werbung“. Menschen können sich an die Watchgroup wenden, wenn sie oder ihn eine sexistische Werbung stört. Die Watchgroup könne dann für öffentlichen Druck sorgen und sensibilisieren. Jansenberger zeigt sich zufrieden über die bisherigen Reaktionen, die durchwegs positiv seien. Doch es gebe auch unfreundliche Kommentare, die die Frauen als „humorlose Sittenwächter“ verunglimpften. Jansenberger fordert nun eine gesetzliche Basis gegen sexistische Werbung, die auch Heinisch-Hosek vorbereitet. Gesetze sind für Befürworter die Basis für Bewusstseinsänderung.

Gegner eines Verbotes sexistischer Werbung sehen hingegen die Freiheit der Kreativität und Kommunikation in Gefahr und bezweifeln, dass man dadurch wirksam etwas in den Köpfen der Menschen verändern könne.

Vehement gegen ein Verbot tritt Michael Straberger, Präsident des österreichischen Werberates, auf: Kommunikation und damit Werbung müssten in dem Rahmen frei sein, den es jetzt schon an gesetzlichen Bestimmungen gebe. „Die Wirtschaft und andere Organisationen, die in der Kommunikation aktiv sind, können sich über Selbstbeschränkung, etwa durch den Werberat, selber regulieren“, ist Straberger überzeugt.

Im Werberat zeigt man sich auch befremdet, dass Frauenministerin Heinisch-Hosek dieses Vorhaben mit dem Verbot noch nicht direkt mit dem Werberat besprochen hat.

Der Werberat ist ein Zusammenschluss von Werbeträgern, die sich freiwillig einer Selbstbeschränkung unterwerfen, um Werbung zu stoppen oder zu verhindern, die ethisch bedenklich ist. Bürgerinnen und Bürger können Beschwerden einreichen, wenn sie eine Werbung stört oder verletzt. Der Werberat kann im schlimmsten Fall, ein Verbot über einen Spot aussprechen. Es hat aber keine Konsequenzen, wenn der Spruch des Werberates nicht befolgt wird. Der Vorwurf der Zahnlosigkeit des Werberates ist Straberger bewusst, er entgegnet: Es würden Maßnahmen gesetzt, um dies zu ändern. Es gebe immer mehr Medienunternehmen, die sich freiwillig verpflichten, Sprüche des Werberates umzusetzen.

Streit um Verbot

Im vergangenen Jahr gingen 213 Beschwerden an den Werberat ein: Sexismus und Frauenfeindlichkeit führen die negative Hitliste an.

Dennoch meint Straberger: „Die Sensibilität zu Fragen von sexistischer Werbung ist in den letzten Jahren ziemlich gestiegen. Und wenn man die Fülle an werblichen Aktivitäten am Markt betrachtet, sind jene Fälle, die der Werberat behandelt, nur Ausreißer.“

Über diese Frage scheiden sich die Geister. Ebenso umstritten ist die Frage, wo Sexismus in der Werbung überhaupt anfängt. Straberger betont, dieser beginne dort, wo Frauen oder Männer abwertend dargestellt würden. Die schöne Frau, die Unterwäsche bewirbt, sei kein Sexismus. Das sieht die Soziologin Rosa Reitsamer anders. Sie forscht an der Uni für Angewandte Kunst und an der Uni Salzburg zu Musiksoziologie. „Immer wenn Frauenkörper eingesetzt werden, um Produkte zu bewerben, ist es Sexismus. Die Frau wird zum Objekt.“ In der letzten Zeit war besonders der Hip-Hop oder Rap wegen frauenfeindlicher Texte in Verruf gekommen. Reitsamer macht darauf aufmerksam, dass sich auch im Rock oder Pop genügend Beispiele für sextistische Liedtexte finden lassen.

Solche Liedtexte nur für Erwachsene freizugeben, davon hält Reitsamer nichts: „Würde das den Sexismus weniger machen? Ich glaube nicht. Aber ich glaube sehr wohl, dass sexistische Werbung und Musikvideos das Verständnis darüber prägen, wie Frauen und Männer in unserer Gesellschaft zu sein haben.“ Ankommen könne man dem vor allem dadurch, indem man die Aufmerksamkeit auf Gegenbeispiele lenke oder etwa bei Programmgestaltungen den Frauenanteil hebe. Es gebe ja auch feministischen Hip-Hop.

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