Uneinigkeit in Sachen Naturschutz

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Ein EU-weit gespanntes Netzvon Naturschutzgebieten solldas Überleben gefährdeter Arten sichern. Österreich hat darin ein Schlüsselstellung. Umstritten ist, ob es seinen Verpflichtungen nachkommt.

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Ein EU-weit gespanntes Netzvon Naturschutzgebieten solldas Überleben gefährdeter Arten sichern. Österreich hat darin ein Schlüsselstellung. Umstritten ist, ob es seinen Verpflichtungen nachkommt.

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Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahre 1995 wurde die Verpflichtung übernommen, die einschlägigen EU-Naturschutzrichtlinien umzusetzen. Bei diesen handelt es sich um die Vogelschutz-Richtlinie aus dem Jahr 1979 sowie um die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aus dem Jahr 1992. Beide Richtlinien wurden vor dem EU-Beitritt Österreichs in der Europäischen Union lange diskutiert und waren für alle damaligen EU-Mitgliedstaaten bereits in Kraft.

Österreich hat bei den Beitrittsverhandlungen keine Übergangsregelung für die Umsetzung dieser Rechtsmaterie verlangt, sodass die beiden Richtlinien seit dem 1. Jänner 1995 für Österreich anzuwenden sind.

Als herausragendes markantes Ziel dieser beiden Richtlinien ist die Schaffung eines zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzwerkes besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" zu nennen. Die Zielvorgaben dieser beiden Naturschutzrichtlinien der Europäischen Union sind durch unterschiedliche Maßnahmen von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Dabei gewährt die EU den Mitgliedstaaten im Rahmen der Auslegung der Richtlinien einen angemessenen Freiraum.

Im Wesentlichen sehen die Richtlinien folgende Bereiche vor, die durch die Mitgliedstaaten umzusetzen sind: * Schaffung der notwendigen rechtlichen Voraussetzungen in der nationalen Gesetzgebung; * Auswahl der geeigneten Gebiete und Erklärung dieser zu besonderen Schutzgebieten als Teile des Natura-2000-Netzwerkes; * Erfüllung von Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission und Dokumentation der gesetzten Maßnahmen zur Erhaltung der Natura 2000-Gebiete.

Einer Dokumentation des World Wide Fund for Nature (WWF) ist zu entnehmen, dass das Burgenland im österreichischen Naturschutz führend und Kärnten auf den letzten Platz zurückgefallen ist. Was Niederösterreich anbelangt, hat sich der WWF mittlerweile entschlossen, das Bundesland hinsichtlich der vorgenommenen Gebietsabgrenzung zu verklagen.

"Das Saublödeste, was in Sachen Natura 2000 getan werden konnte" - in Niederösterreich sei es geschehen, ärgert sich der Vertreter Österreichs im zuständigen EU-Fachbeirat, Georg Grabher in einem Zeitungsinterview. Anstatt Managementpläne für die im Jahr 1996 nach Brüssel gemeldeten Gebiete zu erarbeiten -"vorbildlich großzügige" 32 Prozent der Fläche Niederösterreichs -, habe man den Anteil auf 17,4 Prozent verringert.

Niederösterreich hatte nämlich mehr als 30 Prozent der Landesfläche als Natura 2000 Gebiete gemeldet, Oberösterreich hingegen nur 3,4 Prozent. Und dieses unterschiedliche Ausmaß sorgt dann für politische Unstimmigkeiten. Vor allem niederösterreichische Agrarpolitiker übten an der Abgrenzung der Gebiete heftige Kritik.

Österreich bremst Natura 2000 EU-weit Diese Vorgangsweise halte "Natura 2000 EU-weit auf, weil das Nennungsverfahren neu aufgerollt werden muss", kritisiert Christoph Walder, Natura-2000-Experte vom WWF. Mittelfristig seien sogar "Subventionsverluste für Bauern" zu befürchten, weil die EU die Geldausschüttung aus Ökotöpfen immer enger an Natura-2000-Kriterien binde.

Aus diesen Gründen werde der WWF in den nächsten Tagen in Brüssel Beschwerde einlegen, kündigt Walder an. Die niederösterreichischen Natura-2000-"Feinabgrenzungen" seien nämlich aus politischen und nicht aus fachlichen Motiven entstanden: Auf die zuständigen Experten in der St. Pöltner Naturschutzabteilung sei Druck ausgeübt worden.

Mittlerweile liegt auch eine Zwischenbilanz des WWF, der mit seinem "Netz des Lebens-Index" über die Umsetzung des EU-Umweltschutzprogramms Natura 2000 wacht, als Publikation vor.

Mit dem "Netz des Lebens-Index" dokumentiert der WWF jährlich, wo die Landesregierungen in der Umsetzung von Natura 2000 stehen. Kriterien für die Bewertung sind, neben der Ausweisung der Schutzgebiete, die Umsetzung der EU-Richtlinien in den Landesgesetzen, die Kommunikation mit der Bevölkerung sowie die finanzielle Absicherung des Naturschutzes. Etwa 200 Naturgebiete bilden dieses "Netz des Lebens". Sie beheimaten europaweit gefährdete Tier- und Pflanzenarten sowie besonders schützenswerte Lebensräume. "Der Sieg des Burgenlandes mit nur 13,66 von 20 möglichen Punkten zeigt, wie weit Österreich noch von der Umsetzung von Natura 2000 entfernt ist," stellte dazu Christoph Walder fest.

Die informative Dokumentation des WWF-Österreich über die Umsetzung der Natura-2000-Gebiete wird übrigens mit folgender Feststellung eingeleitet: "Österreich verfügt über ein beeindruckendes Ensemble aus unterschiedlichen Lebensräumen und zählt damit zu den biologisch reichhaltigsten Ländern Europas. Mit seinen einmaligen Naturgebieten trägt Österreich auch eine besondere Verantwortung in Europa. Der WWF Österreich hat der Liste der 161 durch Österreich vorgeschlagenen Natura 2000-Gebiete (Nationale Liste) 41 weitere hinzugefügt, die aufgrund des Vorkommens von Arten oder Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse noch in das Natura 2000-Netzwerk aufgenommen werden müssen (Schattenliste). Die Gebiete der Nationalen Liste und der Schattenliste zusammen ergeben das "Netz des Lebens" in Österreich. Der WWF will erreichen, dass Österreich seine europäische Verpflichtung ernst nimmt und eine internationale Vorbildrolle bei der Verwirklichung von Natura 2000 übernimmt. Mit dem Schutz des vom WWF definierten ,Netz des Lebens', rund den 200 wertvollsten heimischen Naturgebieten, können zwei Drittel der Biodiversität Österreichs erhalten werden."

Die nationale Liste umfasst alle Gebiete, die Österreich für das Schutzgebietsnetz Natura 2000 vorschlägt. Sie umfasst derzeit 161 Gebiete mit rund 16 Prozent der österreichischen Staatsfläche. Die Schattenliste des WWF Österreich führt weitere 41 Gebiete in Österreich auf, die in jedem Fall noch als Natura 2000 Gebiete genannt werden sollten, um die österreichischen Arten und Lebensräume repräsentativ zu schützen, vor allem die wichtigsten Vogelschutzgebiete, die 1996 im Auftrag des Umweltbundesamtes definiert worden sind. Mit Juni 2000 wurden 21 weitere Gebiete von Österreich nominiert. Die Gebiete liegen in Tirol (vier), in Salzburg (elf) und in Kärnten (sechs).

Für den WWF stellt die engagierte Umsetzung von Natura 2000 derzeit die beste Möglichkeit dar, die bedeutendsten Lebensräume und Arten langfristig zu erhalten. Darüber hinaus ist Natura 2000 ein geeignetes Instrument, um Naturschutz und die Interessen der Grundbesitzer und Landnutzer zu harmonisieren. Durch die Ausnützung entsprechender Förderinstrumente ist es erstmals möglich, notwendige Maßnahmen für den Schutz der Arten und Lebensräume von europäischem Interesse mit ausreichenden Geldmitteln abzusichern.

Wirtschaftskammer und WWF haben kürzlich ein fünf Schritte umfassendes Programm für eine gemeinsame, erfolgreiche Umsetzung des europäischen Naturschutzvorhabens Natura 2000 präsentiert.

Durch die Überschneidung von Interessen der Wirtschaft mit denen des Naturschutzes kann es für die Unternehmen zu Konkurrenznachteilen in Natura 2000-Gebieten kommen: etwa durch Verzögerung und Verlängerung von Verfahren durch zusätzliche Naturverträglichkeitsprüfungen, Einschränkungen bei Neu- und Umbauten, Gefahr einer erhöhten Haftung sowie Fragen des Eigentumsschutzes. Die Wirtschaftskammer ist daher interessiert, Vorschläge einzubringen, wie die Interessen des Naturschutzes und der Wirtschaft zu vereinbaren sind. "Gemeinsam können wir mehr für die Wirtschaft und den Naturschutz erreichen. Dialog und Gespräch stehen vor Konfrontation und gegenseitiger Behinderung", betonte Schwarzer.

Kooperation Naturschutz und Wirtschaft Die wichtigsten Punkte des gemeinsamen Fünf-Schritte-Programms - Dialog und Transparenz, aktives Gebietsmanagement, Rechtssicherheit, effiziente Verfahrensabwicklung und ausreichende Finanzierung - sollen helfen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden und gemeinsame Lösungen zu finden. Mit Hilfe des Kooperationsübereinkommens sollen Unsicherheiten geklärt werden und die Behörden auf Bundes- und Landesebene Umsetzungsvorschläge anbieten, die sowohl von der Wirtschaft als auch vom Naturschutz getragen werden können.

In Österreich sind ausschließlich die Bundesländer für den Naturschutz, also auch für Natura 2000, zuständig. Daher kommt den Landesregierungen große Verantwortung im europäischen Naturschutz zu.

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft legte eine informative Broschüre "Natura 2000" auf, in der Bundesminister Wilhelm Molterer betont: "Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist auch heute vorrangiges Ziel der österreichischen Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Derzeit sind noch wichtige Fragen offen, etwa die exakte Gebietskulisse oder die Finanzierung und Abgeltung von Nutzungseinschränkungen."

Der Autor ist Gruppenleiter im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

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