Ungehorsam, aber nicht auf Abwegen

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Ende Juni rief der "Aufruf zum Ungehorsam“ der Pfarrer-Initiative bischöflichen Unmut hervor. Ein Vorstandsmitglied der Initiative argumentiert, warum diese Aktion als "Notruf der Getreuen“ und keineswegs als Gefährdung der Einheit der Kirche zu verstehen ist.

Wenn Pfarrer protestieren und von Bischöfen zurechtgewiesen werden, dann ist es angebracht, die Struktur des Konfliktes zu bedenken: Protestiert wird von unten und gegen den Protest protestiert wird von oben. Also nichts Neues unter der Sonne: Die Unterhirten, die in der tatsächlichen Seelsorge stehen, sind unfolgsam. Die in der Verwaltung tätigen Oberhirten sind irritiert. Sie wurden nicht gefragt, ob man protestieren darf. Und sie hätten es natürlich nicht erlaubt. Denn vorgebracht wurden die Anliegen seit Jahrzehnten - in großem Format beim Kirchenvolks-Begehren des Jahres 1995 mit einer halben Million Unterschriften. Seither gab es ausschließlich Beschwichtigungen, Vertröstungen und Verweise auf den Papst.

Bischöfe leben in der Zwickmühle

Die Bischöfe finden sich genau in der Mitte des Konfliktfeldes: oben der Papst und unten die Gläubigen mit ihren Seelsorgern. Wenn irgendjemand Mitleid verdient, sind es die Bischöfe. Der Ärger des Kardinals in Wien und seines Stellvertreters in Graz ist verständlich. Sie leben in der Zwickmühle zwischen der römisch-strengen Observanz und der aufbegehrenden Pfarrer-Initiative. Doch statt Mitleid mit den Hierarchen zu haben, werden die Pfarrer geradezu frech: Sie rufen zum Ungehorsam auf. Sie sagen nicht, dass sie etwas erbitten, vorschlagen oder gar fordern. Nein, sie tun es. So einfach geht das. Und sie tun es sogar mit provokanten Formulierungen: "Aufruf zum Ungehorsam“ als Überschrift. "Wir werden“ statt "wir bitten“ in den sieben Thesen. Lediglich die erste findet bischöfliches Wohlgefallen: Die Priester dürfen um die Kirchenreform beten.

Schönborn antwortet mit einer Predigt über den priesterlichen Gehorsam zur gerade stattfindenden Priesterweihe. Kapellari sieht keine Notwendigkeit von Reformen: "Von einem Stillstand in der Kirche kann gerechterweise keine Rede sein.“ Was die Bischöfe erregt, ist leicht zu erkennen: Es ist der Ungehorsam. Und das in einer straff autoritär strukturierten Kirche. Wobei als Gehorsam die widerspruchsfreie Unterordnung in einem hierarchischen System verstanden wird. Dass damit auch das "Hinhorchen“ auf das eigene Gewissen und die Verantwortung vor Gott und gegenüber den Menschen gemeint sein könnte, wird nicht in den Blick genommen. Die biblische Forderung, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, wird so verstanden, als wäre der Gehorsam gegenüber dem Bischof und den kirchlichen Gesetzen sozusagen automatisch Gott geschuldet. Die Kirchengeschichte lehrt jedoch in drastischer Weise anderes.

Ungehorsam als Mitbestimmung

Tatsächlich ist der Ungehorsam nur in extrem autoritären Systemen ein gravierendes Delikt. Die bürgerliche Emanzipation kennt den zivilen Ungehorsam als wichtiges Werkzeug der Mitbestimmung. Ebenso die Selbstermächtigung in verantwortlichen Situationen. Dass sich jedoch katholische Geistliche solch weltlicher Methoden bedienen, muss einen katholischen Hierarchen in seinem Autoritätsanspruch erschüttern. "Wo kommen wir denn da hin?“ hört man die Hirten ausrufen, wenn sich die ketzerische "Freiheit eines Christenmenschen“ (Martin Luther) solcherart ausbreiten sollte. Deshalb des Kardinals Sorge um die Einheit der Kirche, die ja in keiner Weise auf dem Spiel steht. Die Loyalität der protestierenden Priester wird von den Bischöfen wohl unterschätzt. Wer eigene Wege gehen will, hat sich in Zeiten wie diesen ohnehin schon längst abgesetzt.

Tatsächlich ist der Protest samt seiner sprachlichen Schärfe ein Notruf der Getreuen: Weil man es in unzähligen Gremien, in Resolutionen und Reformvorschlägen schon vergeblich versucht hat, wird diesmal die Sprache in neuer Schärfe eingesetzt: Man verweigert den Gehorsam aus Verantwortung für die Zukunft der Kirche. Und man handelt, statt bloß zu reden. Übrigens ausnahmslos in Fällen, in denen bereits jetzt der kleine Ungehorsam seelsorgliche Praxis ist. Ein wirklich brutaler Ungehorsam schaut anders aus: Frauenordination, öffentliche Trauung homosexueller Paare, Verbrennung päpstlicher Bullen. Auch der Papst in seiner einsam-autoritären Amtsführung bleibt verschont. Es sind rücksichtsvoll-moderate Revoluzzer, die sich da outen. Der Kardinal kann unbesorgt in den Urlaub gehen.

Vorher meldet sich noch ein prominenter Kirchenrechtler (Univ. Prof. Dr. Heribert Köck) zu Wort: "Da das Widerstandsrecht - auch das innerkirchlich geübte - auf dem Naturrecht und damit auf natürlichem göttlichem Recht beruht, kann es durch menschliches Recht weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden.“

* Der Autor ist Akademiker- und Künstlerseelsorger in Linz, Musiker und Buchautor, Vorstandsmitglied der Pfarrer-Initiative

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