Ungewohnt sinnlich und farbenfroh

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Die Albertina zeigt mit „Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam“ eine umfassende Ausstellung mit rund 180 Exponaten, darunter 130 Gemälde und Pastelle sowie 50 Künstlerutensilien wie Staffelein und Malerpaletten. Somit stehen nicht nur die Bilder im Mittelpunkt, sondern auch der technisch-handwerkliche Aspekt von Kunst.

Paris im Jahr 1874: Eine Gruppe befreundeter Künstler, darunter Pierre-Auguste Renoir, Alfred Sisley, Edgar Degas, Berthe Morisot und Camille Pissarro, veranstaltet in den Galerieräumen des Pariser Fotografen Nadar eine unabhängige, selbst finanzierte Ausstellung jenseits des offiziellen Pariser Salons und der Akademie. Die Schau versteht sich als erstes selbstbewusstes Lebenszeichen einer Bewegung, die eine vollkommen neue, primär optisch orientierte Beziehung der Malerei zum Gegenstand entwickelt. Im Vordergrund steht keine langwierige, thematisch ausgerichtete Historienmalerei, sondern der unmittelbare Seheindruck in der freien Natur unter Berücksichtigung der Lichtreflexe, der rasch und direkt auf die Leinwand übertragen wird: „Der Impressionist ist ein modernistischer Maler, der mit einer außergewöhnlichen Sensibilität des Auges ausgestattet ist, die über Jahrhunderte in den Museen angehäuften Gemälde ebenso vergisst wie die schulmäßig optische Erziehung (Zeichnung, Perspektive, Kolorit)“, beschrieb der Literaturkritiker Jules Laforgue den neuen Künstlertyp damals.

Ärger in der Kunstszene

Die ungewohnt sinnlichen, farbenfrohen Bilder der „Impressionisten“ – wie die Maler von einem Kritiker der Zeitschrift Le Charivari in Anspielung auf ein Monet-Bild mit dem Titel „Impression, aufgehende Sonne“ (Impression, soleil levant) zunächst abschätzig genannt werden – erregen den Ärger der Kunstszene. Monets 1873 entstandenes Gemälde, das letztendlich der ganzen Bewegung ihren Namen verlieh, stellt den Hafen von Le Havre im Morgennebel dar. Auf dem Wasser spiegelt sich das Licht der aufgehenden orangefarbenen Sonne. Das Großteils in Blau- und Violetttönen gehaltene Bild besticht durch die locker hingepinselte Malweise und den flächigen Charakter. Die Skizzenhaftigkeit, das „banale“ Thema, der unfertige Charakter und die subjektive Sichtweise rufen zunächst Spott und Hohn hervor, wie zeitgenössische Kommentare unschwer erkennen lassen: „Eine Tapete im Urzustand ist ausgearbeiteter als dieses Seestück.“

Dass sich das Blatt bald gewendet hat und die Impressionisten zur künstlerischen Vorhut der Moderne avancierten, ist in Lexika und Ausstellungen bereits unzählige Male erzählt worden. Heute gehört der französische Impressionismus zu den am besten erforschten Bewegungen der Kunstgeschichte, und eine Impressionismus-Schau lockt, auch wenn es sich um eine mit wenig Neuigkeitswert handelt, stets Besuchermassen ins Museum. Allerdings fragt man sich, ob es überhaupt noch Aspekte zu beleuchten gibt, die diese Kunstbewegung wieder neu sehen lassen. Klaus Albrecht Schröder, selbstbewusst wie eh und je, hat keinen Zweifel daran, dass diese „wiederholt vermarktete Kunstrichtung“ auch heute noch „spannend und facettenreich zu präsentieren“ ist und erklärt dies „gleich fast selbst zur Kunst“. Und so zeigt er in der Albertina derzeit eine große Impressionismus-Präsentation, die vom Kölner Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud konzipiert wurde. Die umfassende Ausstellung mit rund 180 Exponaten – darunter 130 Gemälde und Pastelle, genauso aber 50 originale Künstlerutensilien wie Staffeleien und Malerpaletten – wurde erst durch ein langjähriges Forschungsprojekt des Wallraff-Richartz-Museums möglich, in dem die „Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus“ gründlich untersucht wurde. Ein Fingerzeig dafür, wie wichtig kunstwissenschaftliche Forschung für das Gelingen von Ausstellungen ist.

Die Schau mit dem Titel „Wie das Licht auf die Leinwand kam“ erzählt in 13 Räumen die Geschichte des Impressionismus in didaktischer Art und Weise. Dieser „belehrende Ansatz“ wurde vom Wiener Kunstestablishment im Zuge der Eröffnung heftig diskutiert, und tatsächlich erscheint die vermittelnde Komponente mit an die Wand applizierten Fragen wie „Womit malten die Impressionisten?“ oder „Wann war ein Bild fertig?“ mitunter zu dick aufgetragen.

„Ohne Tubenfarben gäbe es keinen Cézanne“

Im Großen und Ganzen aber ist der Zugang, der die Erneuerung dieser Kunstrichtung parallel zu den technologischen und naturwissenschaftlichen Errungenschaften der Industriegesellschaft zeigt, aber ausgesprochen spannend. Denn welcher Besucher, der nicht Kunstgeschichte studiert hat, weiß etwa schon, dass die für die Impressionisten so zentrale „Plein Air“-Malerei (das Malen im Freien) erst durch die Erfindung der luftdicht abgeschlossenen Tubenfarbe im Jahr 1841 möglich wurde: „Diese Tubenfarben, die man so leicht befördern kann, erlauben uns, wirklich nach der Natur zu malen. Ohne die Tubenfarben gäbe es keinen Cézanne, keinen Monet, keinen Sisley oder Pissarro, und auch nicht das, was die Zeitungsschreiber den Impressionismus nennen“, so der Malerstar Pierre-Auguste Renoir.

Entsprechend diesem Schwerpunkt stehen neben Bildern von bekannten und weniger bekannten Impressionismus- und Postimpressionismus-Größen Künstlerbehelfe wie eine Freiluftmalerei-Ausstattung mit tragbarer Staffelei, Sonnenschirm und Klappstuhl im Zentrum der Zusammenstellung. Wandtexte und Vergrößerungen weisen darauf hin, wie diese Behelfe und das Malen im Freien ihre Spuren in Form von Abdrücken, Sandkörnern und Blüten auf den Bildern hinterlassen haben. Amüsant und lehrreich auch Vincent van Goghs „Malkästchen“, eine rot lackierte chinesische Teebox. In ihr bewahrte der Maler verschiedenfärbige Wollfäden auf, mit denen er die Wirkung unterschiedlicher Farbzusammenstellungen erprobte, um so mit den Farben sparsam umgehen zu können – schließlich wurde Van Goghs Malmaterial von seinem Bruder Theo finanziert.

Auch wenn der Aspekt der technisch-handwerklichen Seite von Kunst stellenweise zu stark gewichtet ist, liegt gerade in der Verschränkung von künstlerischen und technischen Innovationen die Qualität dieser Schau. Sie erinnert mehr als deutlich daran, dass Kunst nicht bloß durch geniale Geistesblitze von einsamen Genies entsteht, sondern dass künstlerische Innovationen immer eingebunden sind in gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und in diesem Fall besonders in technologische Entwicklungen.

Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam

Albertina, Wien I

bis 10. Jänner 2010, tägl. 10–18, Mi bis 21 Uhr

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