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Glück und Spiel sind zwei grundsätzlich positiv besetzte Begriffe. Aber auf tausende Österreicher wirkt Glücksspiel wie Heroin: Sie kommen ohne den Kick nicht mehr aus. von claudia feiertag

Es dauert ein paar Augenblicke, während die Kugel im Roulettekessel rollt und rollt. Bis sie klappernd in eines der Zahlenfelder fällt und wieder einmal die "Bank", den Kasino-Betreiber, zum Gewinner macht. Egal, noch einmal, irgendwann muss es funktionieren. Und wenn Fortuna tatsächlich einmal ein Einsehen hat? Dann kommt Aufhören ohnehin nicht in Frage, es könnte ja eine Glückssträhne sein.

Wenn Glücksspiel zur Sucht wird, kreisen die Gedanken nur noch um das nächste Spiel. "Den Betroffenen geht es dabei gar nicht in erster Linie ums Gewinnen", erklärt Bernhard Lindenbauer, Oberarzt in der Psychiatrie der Linzer Wagner-Jauregg-Nervenklinik. "Es geht um die Erleichterung, die man sich durch das Spielen verschafft." Nach dem Spiel jedoch löse die verlorene Summe Schuldgefühle aus, vor denen man ins nächste Spiel fliehe. Ein Teufelskreis. "Und dann kommt bei vielen noch dazu, dass sie versuchen, das Verlorene wieder zurückzugewinnen."

Anerkannte Krankheit

Die Weltgesundheitsorganisation who hat 1991 "pathologisches Glücksspiel" als psychische Störung anerkannt. Aber wer wird eigentlich süchtig nach dem Spiel-Kick? Lindenbauer: "Meistens sind es Menschen mit gestörter Frustrationstoleranz oder verminderter Ich-Stärke. Leute, die nicht gelernt haben, negative Gefühle auszuhalten." Sie suchen Erleichterung von unangenehmen Empfindungen im Spiel, im Einkaufen oder im Internet. "Welcher dieser Süchte jemand erliegt, hängt offenbar zu einem großen Teil davon ab, in welchem Freundeskreis, in welcher Peergroup er sich bewegt. Aber genau ist noch nicht geklärt, wer warum wonach süchtig wird."

Rückfälle vorprogrammiert

Allein von der Sucht loszukommen, sei extrem schwierig, weil der Zugang zum Spiel an vielen Orten legal und ohne großen Aufwand möglich sei. Aus demselben Grund sei die Rückfallquote sehr hoch, erklärt der Psychiater. "Meist gelingt der endgültige Entzug erst nach einem bis mehreren Jahren Psychotherapie und einigen Rückfällen." In die Wagner-Jauregg-Klinik kommen kaum Spielsüchtige, um sich wegen ihrer Sucht behandeln zu lassen. "Sie kommen eher wegen Depressionen, Panikattacken oder anderer Zustände, und dann kommt man erst im Zuge der Therapie drauf, dass das alles nur Symptome der Spielsucht sind."

50.000 Menschen leiden in Österreich an pathologischer Spielsucht, erklärt Gerald Granig, Gründer der Anonymen Spieler Salzburg (ass). Andere Schätzungen gehen von bis zu 120.000 Betroffenen aus. Granigs Erfahrung nach spielen sie am häufigsten an Spielautomaten, in Kasinos auch Black Jack und Roulette. "Und die Branche der Sportwetten boomt. Nicht nur für die Wettbüros, sondern auch bei der Zahl der Süchtigen", sagt er. Auf den ersten Blick harmlos wirken hingegen Rubbellose. "Aber gerade als Einstieg für Jugendliche sind sie hochbrisant, weil sie so einfach in jeder Trafik zu bekommen sind." Wie gefährdet Jugendliche sind, zeigt die Statistik der ass. 44 Prozent der Betroffenen in dieser Selbsthilfegruppe haben vor ihrem 18., sechs Prozent sogar vor ihrem 14. Geburtstag zu spielen begonnen.

In diesem Alter kommt freilich noch niemand in die Selbsthilfegruppe. "Internationale Studien zeigen, dass Spielsüchtige mit mindestens neunjähriger Verspätung Hilfe suchen", erklärt Granig, der selbst mit 14 begonnen hat, "zum Zeitvertreib zu spielen." Es folgten 15 Jahre, in denen er alles verspielte, was er besaß. Und am Schluss sogar Geld unterschlug, um seine Sucht zu finanzieren. Granig: "Bleibt die Spielsucht unbehandelt, bestehen am Ende eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man veruntreut oder unterschlägt Geld, oder man begeht Raubüberfälle, dazwischen gibt es fast nichts."

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