Thema: Jerusalem
In der 17. Sure des Korans wird die Reise des Propheten Mohammed von Mekka nach Jerusalem erwähnt und Jerusalem als gesegneter Ort gewürdigt (17:1). Jerusalem war die erste Gebetsrichtung für die Muslime bevor sie nachher auf Richtung Mekka geändert wurde. Jerusalem ist auch die einzige Stadt, die im Koran als "heiliges“ Land bezeichnet wird (5:21).
Als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal nach Jerusalem fuhr, war ich sehr gespannt: Eine besonders spirituelle Stadt habe ich erwartet, muss aber gestehen, dass meine Erwartungen etwas enttäuscht wurden. Schuld daran war sicher auch die politisch sehr angespannte Lage - aber nicht nur. Enttäuscht war ich von den vielen Rivalitäten zwischen den Glaubensrichtungen. Damit meine ich nicht Rivalitäten zwischen Juden, Christen und Muslimen, sondern die Auseinandersetzungen innerhalb der Religionen selbst. Die Lage in der Grabeskirche, wie sie Ina Praetorius in ihrer Kolumne angedeutet hat, ist ein Beispiel dafür.
Beim Besuch einiger Gotteshäuser in Jerusalem dachte ich, dieser Ort sei der Ort auf der Erde, an dem Gott am meisten angebetet wird. Bald musste ich feststellen, dass er aber zugleich einer der Orte war, an dem am meisten über die Frage nach dem wahren Glauben gestritten wird. Es drängt sich die Frage auf: Ist Gott heute wirklich stolz darauf, was wir Menschen aus diesem Ort gemacht haben? Will Gott wirklich, dass wir Menschen uns gegenseitig in seinem Namen bekämpfen?! Sicher nicht! Sure 6 im Koran bezeichnet die Gebote des Mose als Kern jeder Religion, auch den des Islam: "Sprich: Kommt her, ich will bekanntgeben, was euer Herr euch verbot: Ihr sollt ihm nichts an die Seite stellen. Und die Eltern sollt ihr ehren. Und ihr sollt eure Kinder nicht aus Armut töten. Und tötet kein Leben, das Gott verwehrt hat …“ (6:151-153). Das ist es, worum es Gott geht.
Der Autor leitet das Zentrum f. Islam. Theologie an der Uni Münster
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