Unis in ökonomischer Geiselhaft

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Nulldefizit-Universitäten im Reformtaumel, mit Fieberschüben angesichts einer angekündigten systembrechenden Totalreform. Cui bono?

Der geltende Leistungsauftrag für Universitäten, "der wissenschaftlichen Lehre zu dienen und hiedurch verantwortlich zur Lösung der Probleme des Menschen sowie zur gedeihlichen Entwicklung der Gesellschaft beizutragen", wird ausgeblendet, obwohl Österreichs Hohe Schulen trotz der im internationalen Kontext maßgeblich geringeren Finanzausstattung durch das Engagement der Universitätsangehörigen in Forschung und Lehre Hervorragendes leisten. Bildung als das die Universitäten existenzbegründende Konzept und als Wert an sich erscheint einem globalen Trend folgend antiquiert und wird arbeitsmarktgerecht zu Kompetenzen und Qualifikationen umfunktionalisiert.

Sinnstiftendes Reflexions- und Orientierungswissen ist "out", marktgängige Forschungsproduktion "in". Unmittelbar ökonomisch verwertbare Forschungs- und Lehrleistungen gelten als neue Leitbilder. Die den Universitäten (Staat) anfallenden Kosten von ressourcenintensiver, risikoreicher, anwendungsverheißender und zuliefernder Grundlagenforschung werden vergesellschaftet, mögliche Gewinne durch außeruniversitäre Verwertung privatisiert. Kein Wunder, dass gerade die Industrie so interessiert an der Uni-Reform ist.

Die Reformeiferer vertreten unbeugsam die neuen ökonomischen neoliberalistischen Ideen, geben sich jedoch schamhaft verschwiegen gegenüber anderswo bereits erkennbaren und manifesten bildungs- und universitätspolitischen Fehlentwicklungen (Australien, Neuseeland und GB). Andere, mit kritischer Distanz zum trendigen Vokabular, werden gerne als "reformresistente Funktionärselite" bezeichnet. Im als "offene Planung" beschriebenen Reformprozess wird zwar kontrovers weltbildorientiert debattiert, Diskurs und Dialog fehlen, Ideologien dominieren. Universitäten werden nach dem handlungsleitenden Wirtschaftsmaßstab in ein Korsett profitorientierter Bildungsunternehmen gezwungen. Wissen wird kapitalisiert und der Zugriff darauf via Studiengebühren kommerzialisiert.

Eine fremdgesteuerte betriebsförmliche Organisationsform mit einem autoritär-hierarchischen Leitungsmodell soll die Umsetzung der neuen Heilslehre befördern ("Vollrecht und mehr Gestaltungsfreiheit"). Der Universitätsrat erhält als externes Teilleitungsorgan bisher noch nie gekannte Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, ein breites Einfallstor für (partei)politische und wirtschaftliche (Industrie)Interessen ("erweiterte Autonomie"). Der Wunsch nach "klarer Kompetenzverteilung" (und größerer Machtausstattung) könnte sich als Zauberlehrlingseffekt entpuppen und die Rektoren in Betriebsdirektoren zur operativen Umsetzung des Eigentümerwillens in Projektuniversitäten mit "effizienten Strukturen" verwandeln ("modernes Management"). Statt alter, neue - schädlichere - Abhängigkeiten! Geopfert wird auch der die Einbringung wichtiger Sach- und Fachkompetenzen sichernde universitätsinterne Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess aller Gruppen von Universitätsangehörigen ("qualitative Mitbestimmung").

Nach dem Grundsatz universitas semper reformanda est fordern viele Universitätsangehörige und -organe adäquate Reformmaßnahmen und plädieren für eine Forcierung betriebswirtschaftlicher Instrumente. Ein transparentes, datenbasierendes Budgetierungssystem, eine verbesserte Kultur des Gesetzesvollzuges und die Kontrolle der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgebote durch geeignetes Engagement der Aufsichtsbehörde (Ministerium) wären bereits effizienzsteigernd. Von der Politik wird vor allem Wohlwollen für die Ideen von Universität und Wissenschaft als Lebensform sowie eine aktive Auseinandersetzung mit alternativen maßvollen Reformvorstellungen erwartet.

Die Autorin ist Assistenzprofessorin am Institut für Österr. Rechtsgeschichte an der Uni-Graz und Vorsitzende des Zentralausschusses für die Universitätslehrer.

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