Unmögliches kann möglich werden

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Seit bald einem halben Jahrhundert lebt, arbeitet und hilft die deutsche Ordensfrau und Lepraärztin Ruth Pfau in Pakistan. Die Stadt Karachi ist ihre zweite Heimat geworden, im ganzen Land schätzen die Menschen ihren unermüdlichen Einsatz.

"Natürlich habe ich ab und zu das Gefühl:, Jetzt reicht's! Warum gehen wir nicht nach Hause?' - aber einfach aufgeben und weglaufen geht ja auch nicht", sagt die deutsche Ordensfrau und Lepraärztin Ruth Pfau. "Unmöglich" kommt in ihrem Wortschatz nicht vor. Seit 1960 kämpft sie in Pakistan und Afghanistan erfolgreich vor allem gegen die Lepra, die Menschen zu "Aussätzigen" macht. Mit ihren einheimischen Teams kämpft Pfau gegen die Krankheit ebenso wie gegen damit verbundene Vorurteile, Diskriminierung und soziale Isolation.

Pfau wurde am 9. September 1929 in Leipzig geboren und wuchs in einer jüdischen Familie auf, mit 19 Jahren ging sie in den Westen. 1949 begann sie in Mainz Medizin zu studieren. In dieser Zeit entdeckte sie den christlichen Glauben und ließ sich 1951 taufen. Zunächst Mitglied der Evangelischen Kirche, konvertierte sie bereits zwei Jahre später zum katholischen Glauben. Nach dem Studium trat Pfau in die Kongregation der "Gesellschaft der Töchter vom Herzen Maria" ein. 1960 schickte sie der Orden nach Indien, wo sie als Frauenärztin arbeiten sollte. Visaprobleme zwangen die damals 31-Jährige zu einem Zwischenstopp im pakistanischen Karachi.

Kam, sah und handelte

Dort begegnete sie in einem der Elendsviertel leprakranken Menschen. Sie blieb und setzte alles daran, ein Krankenhaus zur Bekämpfung der Krankheit zu errichten. "Das werden sie nicht schaffen. Man will sie hier nicht", sagte man damals zu ihr. Doch das Krankenhaus wurde zu einer in ganz Pakistan anerkannten Institution. Pfau musste in dem von Krisen und Gewalt geschüttelten Pakistan immer damit rechnen, des Landes verwiesen zu werden. Seit 1980 ist sie allerdings als Beraterin der häufig wechselnden Regierungen tätig und hat seither den Rang einer Staatssekretärin. Ihr Aufgabengebiet ist das Lepra- und Tuberkulose-Kontrollprogramm. "Oft werden die Infizierten eingemauert und ihrem Schicksal überlassen. Wenn meine Mitarbeiter von einem Fall hören, reisen wir oft tagelang mit dem Jeep in die entlegendsten Dörfer, um zu helfen." Durch ihren Einsatz konnte die Zahl der Neuinfizierungen eingedämmt werden. "Es ist ein Glück zu erleben, dass man in jeder Situation etwas tun kann", sagt die fast 80-Jährige.

Vor einigen Jahren hat sie die Lepraarbeit - zunächst illegal - auch auf Afghanistan ausgeweitet. 26 Millionen Menschen leben in dem von Gebirgen geprägten und von Krieg zerrütteten Land, das als jenes mit der höchsten Rate an Witwen und Waisen gilt. Derzeit sind rund 53.000 Soldaten in Afghanistan stationiert. Anschläge und Attentate sind aber weiter ein Problem. Einige Gebiete im Süden und Osten des Landes werden von ausländischen Hilfsorganisationen und Truppen aus Angst gemieden.

In den 48 Jahren ihrer Arbeit hat Pfau unendlich viel Leid gesehen. Oft hat sie sich gefragt, wie Gott das zulassen kann. Vor einiger Zeit hat sie aufgehört, nach dem "Warum" zu fragen. "Es bringt ja doch nichts. Ich verschwende durch das Grübeln nur meine Kräfte und nichts kommt raus. Also habe ich beschlossen, diese Fragen auf eine, eschatologische Liste' zu schreiben in der Hoffnung und in der Überzeugung, diese Fragen irgendwann stellen zu können und auch Antworten darauf zu bekommen." Es könnte aber auch sein, dass sich in dem Moment, wo sie diese Fragen stellen kann und möchte, die Antworten bereits gegeben sind und sich alles auflöst in Licht und Liebe, ergänzt sie.

Orden ohne Klosterleben

Die "Gesellschaft der Töchter vom Herzen Maria" geht auf die Französin Adelaide de Cicé und ihren Beichtvater Pater de Cloriviére zur Zeit der Französischen Revolution zurück. Die Ordensmitglieder haben kein klösterliches Leben, keine Tracht und arbeiten in den unterschiedlichsten Berufen und versuchen dort, jede an ihrem Platz, "auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Kirche und der Welt zu antworten". Pfau hat ihren Platz vor 48 Jahren in Pakistan gefunden.

Ein knappes Fünftel der pakistanischen Bevölkerung lebt von weniger als einem US-Dollar am Tag. 23 Prozent der Bevölkerung gelten als unterernährt. "Neben all der Unsicherheit und der Gewalt hat eine Teuerungswelle die Situation der Menschen dramatisch verschlechtert und unzählige zusätzliche Menschen in Armut gestoßen", erzählt Pfau. Vor einigen Jahren hat sie mit ihrem Team auch Programme gegen Augenkrankheiten und Impfaktionen gestartet. Und sie kümmern sich auch um afghanische Flüchtlinge in der pakistanischen Provinzhauptstadt Karachi. "Ab vier Uhr Früh sind die afghanischen Flüchtlingskinder in den Straßen unterwegs, um Müll zu sammeln. Die kleinsten sind erst vier oder fünf Jahre alt. So bringen sie ihre Familien durch", erzählt die Ärztin.

Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1947 ist Pakistan Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volks- und Glaubensgruppen. An einigen der schätzungsweise 20.000 Koranschulen werden fundamentalistische Anschauungen verbreitet, die zu einer Radikalisierung des Landes beitragen. Nach der Trennung Pakistans von Indien verließen viele Hindus das Land. Heute machen sie rund zwei Prozent der Bevölkerung aus. In Karachi sind sie eine etwas größere Minderheit. Diesen Hindus zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen, ist eine weitere Aufgabe, der sich Pfau verschrieben hat.

Ebenso hat sie sich auch immer gegen die gravierende Benachteiligung von Frauen eingesetzt. Arrangierte Ehen und Zwangsehen sind in Pakistan üblich. Bereits der Verdacht auf Untreue ist Grund für Gewalttaten gegen Frauen bis hin zu Ehrenmorden. Alle drei Stunden wird in Pakistan eine Frau vergewaltigt, die Hälfte der Opfer ist jünger als 15 Jahre. Täglich stirbt in Pakistan eine Frau durch Gewalt in der Ehe, das Land hat daher die höchste Müttersterblichkeitsrate der Welt.

Für ihr Engagement wurde Pfau zur Ehrenbürgerin Pakistans ernannt, sie wurde für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Im September wird Pfau 80 Jahre alt. Alle Projekte sind zwar in einheimische Hände übergeben, dennoch ist Ruth Pfau der Knoten, wo alle Fäden zusammenlaufen.

www.ruthpfau.com

Spendenkonto in Kooperation mit der Caritas St. Pölten:RAIBA St. Pölten, BLZ 32788, Kto. 76000, KW Ruth Pfau

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