Unpassende Worte zum guten Start

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Die Kommentatoren des Zeitgeschehens mögen die Sache drehen und wenden, wie sie wollen, es bleibt so: Michael Spindelegger, Außenminister und designierter Bundesparteiobmann der Volkspartei, hat einen guten Start hingelegt. Für diese Partei wiederum beginnt jetzt eine Art von neuer Stunde null. Und, drittes Phänomen dieser Tage, ausgerechnet der ruhig wirkende Spindelegger hat einen frischen Wind in der Innenpolitik ausgelöst, besonders unter ihren Kommentatoren.

Um mit Letzterem, noch nicht dem Wichtigsten, zu beginnen: In einer teils kruden und krausen, verwirrt wirkenden Art, wurden dieser Tage auch Begriffe und Symbole des Christentums und des Katholizismus verwendet, um in der Presse oder dem Standard die genannten Vorgänge kommentierend zu begleiten. Ein Autor bemühte Mythen, Götter und die Jungfrauengeburt, um - zumindest seiner Ansicht nach - Spindeleggers Aufstieg trefflich zu kommentieren. Ein anderer Zeitungsgestalter schuf eine Neufassung der zehn Gebote, diesfalls für die Volkspartei. Das sind Fälle überschießender Kreativität, der es an begleitender Selbstbeherrschung und an Bedacht mangelt. Es fällt schwer, die an Sebastian Kurz an selber Stelle geäußerte Kritik ernst zu nehmen, wonach er es sei, dem angesichts seiner Jugend die Erfahrungen für die Politik als Beruf fehle. Sei’s drum. Das und Weiteres werden sich weisen. Wesentlich ist anderes.

Weichenstellung im Programm

Die Volkspartei steht vor einer grundsätzlichen, programmatischen Weichenstellung. Es ist gut möglich, dass sie etwas wertkonservativer wird, dass sie christdemokratische und christlichsoziale Positionen stärker betont. Sie wird sich gesellschaftspolitisch hoffentlich auf Höhe der Zeit bewegen, aber keineswegs jeglicher Form einer dann falsch verstandenen Liberalität anheimfallen, hinter der sich Beliebigkeit in Lebensform und Lebensführung verbirgt. Doch die von politischer Korrektheit geleitete, medial vorgenommene Familienaufstellung der Parteien ist im Gange: Christentum und Katholizismus werden gegen jenen gewendet, der sich dazu bekennt,weil damit böse Vermutungen angestellt, ihm unlautere Absichten unterstellt werden. Rückkehr der Religion in die Politik, Aufhebung der Trennung von Staat und Kirche, neues Dorf- und Hauspatriarchat und anderes mehr. In diese Formation innenpolitischer Kommentierung wird zudem Heinz-Christian Strache gleich eingereiht. Natürlich liefert er triftige Gründe für Kritik und Ablehnung seiner Aussagen und Positionen - aber ihn als Wiedergänger der Nationalsozialisten zu dämonisieren wird nicht genügen, um den ihm derzeit zufließenden Strom an Wählern in ein anderes Flussbett zu lenken.

Phase der Konsolidierung

Nach der verdienstvollen Tätigkeit von Josef Pröll befindet sich die Volkspartei jedenfalls in einer Phase der Konsolidierung. Der Aufbau von unten nach oben in einer föderalen und bündischen Struktur muss sich unter neuen Bedingungen politischer Arbeit erst bewähren. Hier wird noch einiges an Umdenken erforderlich sein. Gleiches gilt für jene Bereiche, in denen sich die Volkspartei - wie angedeutet - immer etwas schwer getan hat, namentlich der Gesellschafts-, der Bildungs- und der Kulturpolitik. Mit den großen Bewegungen der letzten Jahrzehnte - Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung - kam sie kaum zu Rande. Die Volkspartei wird sich, endlich und ernstlich, dem gesellschaftlichen Wandel zu stellen haben. Namentlich geht es um die Erwerbstätigkeit, um das Berufsleben von Frauen. Um städtische Lebensformen. Um absolute Freiheit in Kunst und Kultur. Um die geistige Freiheit und Beweglichkeit, die Bildung ermöglicht.

Auch diese Freiheiten sowie jene zu einem neuen Aufbruch sind im Keim der Stunde null der ÖVP enthalten. Wer dies krud und kraus ins Abseits kommentiert, scheint nicht zu wollen, dass er aufgeht.

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