Unrettbar infiziert vom Virus Kunst

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Gibt es so etwas wie einen Lebens-Künstler, war der von Rudolf Leopold ohne jeden Zweifel Egon Schiele. Am 29. Juni ist der manische Sammler im Alter von 85 Jahren in Wien gestorben. Von weit mehr als 5000 Objekten ließ sich Leopold zum Kauf animieren.

Der gelernte Augenarzt Rudolf Leopold war unheilbar krank. Seit Jahrzehnten unrettbar infiziert vom Virus Kunst. Bereits als Gymnasiast hat sich der Wiener seinen ersten Gauermann durch Nachhilfestunden zusammengestottert, seinen ersten Schiele, eine Studie zur „Toten Stadt“, hat Leopold als 22-jähriger Medizinstudent erstanden. Um ihm den Abschluss seines Studiums zu versüßen, versprach ihm 1953 seine Mutter einen VW-Käfer, der damals exakt so viel kostete wie Schieles „Eremiten“. Wofür sich Leopold entschieden hat, braucht wohl nicht ausgeführt zu werden. Und damit war der Grundstock einer Sammlung gelegt, die die bedeutendste Österreichs und eine der bedeutendsten Europas werden sollte.

Gotische Madonnen bis moderne Malerei

Und sie ist sympathisch subjektiv, frei von jedem spekulativem Kalkül. „Was mich nicht erregt, interessiert mich nicht“, so Rudolf Leopold einmal lapidar, und die Erregung verebbte in seinem langen Sammlerleben bis zuletzt nicht. Von weit mehr als 5000 Objekten ließ er sich zum Kauf animieren, von gotischen Madonnen über Malerei des 19. Jahrhunderts, Objekte der Klassischen Moderne, des Sezessionismus und Jugendstils, der Kunst des Informel und der Jungen Wilden bis hin zu Autografen, Kunsthandwerk und afrikanischer Stammeskunst. Um sich bei seiner Einschätzung von Kunst lebenslang allein von seiner Gabe des „reinen Schauens“ leiten zu lassen. Und so irritierte es den „Dilettanten“ auch in keiner Weise, dass Schiele bis vor wenigen Jahrzehnten von den meisten Kunstsachverständigen höchstens als Talent von lokaler Relevanz abklassifiziert wurde.

Glück für den damals jungen Sammler, der seine heute Millionen Euro schweren Schieles für vergleichsweise läppische Summen erwerben konnte. Wobei es der manisch von Kunst Besessene mit der Provenienz des Gekauften nicht immer sehr genau nahm, was ihm in den letzten Jahren auch immer wieder zum Vorwurf gemacht wurde. Von Leopold gebetsmühlenartig gekontert, stets „im guten Glauben“ gehandelt zu haben. Was ihn nicht immer vor Konsequenzen schützen sollte. Etwa 1998, als nur einen Tag nach der Eröffnung der Ausstellung „Egon Schiele: The Leopold Collection, Vienna“ im New Yorker Museum of Modern Art die Bilder „Tote Stadt III“ und „Bildnis Wally“ als „Diebsgut“ beschlagnahmt wurden. Während die „Tote Stadt“ ein Jahr später nach Wien heimkehrte, hat Leopold den Ausgang des Verfahrens rund um seine „Wally“ nun nicht mehr erlebt.

Noble Hülle für edle Sammlung

1994 hat Leopold den Löwenanteil seiner Sammlung um 160 Millionen Euro der Republik Österreich verkauft. Viel Geld, wenn auch ein Schnäppchen für den Staat, haben Kunstexperten den wirklichen Wert der Objekte auf dem freien Markt doch auf mehr als das Dreifache geschätzt, das sich inzwischen locker auf das Vierfache vermehrt haben dürfte. Die Öffentlichkeit baute für die Schlüsselwerke u. a. von Schiele, Klimt, Kokoschka, Kubin, Egger-Lienz oder Gerstl die noble Hülle im Wiener MuseumsQuartier, wo Rudolf Leopold bis zu seinem Tod diesen Dienstag als Hausherr herrschte. Besucht von rund 300.000 Menschen jährlich. Und unbeirrt weitersammelte.

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