Unsagbar grauenvoll

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Was Adrien Wayi erleiden musste

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Was Adrien Wayi erleiden musste

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Ich muss gestehen... mir fehlen die Worte, um Ihnen wirklich eine Vorstellung von dem Grauen zu vermitteln, das ich erlebt habe ...

Man führte mich - mit verbundenen Augen - zur Tür meiner Zelle, wo mich der ,Panther' erwartete ... Er nahm mir die Augenbinde ab und begann auf mich einzuschlagen ... Man zog mich nackt aus und brachte mich in einen kleinen Raum von etwa drei Quadratmetern, in dem sich über 30 Personen drängten. An diesem Ort erfuhr ich, was Menschen einander antun können. Versuchen Sie sich das alles nur vorzustellen: Man legte mir ein heißes Bügeleisen auf den Bauch; man zog mir mit einer Friseurschere die Haut vom Rücken ab, als wäre sie ein Stück Stoff, bis zum Schulterblatt; der ,Panther' riss mir mit einer Zange, wie sie ein Kfz-Mechaniker oder ein Schrotthändler benutzt, vor den Augen meiner hilflosen Zellengenossen die Fingernägel aus; man zwang mich mit an die Kehle gehaltener Kalaschnikow, den Urin von anderen zu trinken; man durchbohrte mir mit einem kleinen Messer mit gezackter Klinge die Zunge - die Narbe ist noch heute zu sehen ...

Eines schönen Tages kam ein Mann und sagte: ,Du bist doch Adrien Wayi, oder? ... Heute Nacht um zwei Uhr gehst du auf eine lange Reise, für die du keinen Pass brauchst. Im Lager Makala wirst du getötet und dann wie alle anderen in den Fluss geworfen ... Alles klar?' Mir war klar: Solange man auf Rettung hofft, macht einem so eine Mitteilung Angst. Aber ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben und fürchtete mich nicht mehr davor zu sterben. [...]"

Der Journalist Adrien Wayi wurde im Oktober 1997 im Bezirk Bacongo von Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, zwölf Tage lang von einer der Krieg führenden Milizen festgehalten. Grund für seine Festnahme waren seine Beziehungen zu einem der Milizenchefs. Die Narben auf seinem Rücken, an der Zunge und den Handgelenken sind noch immer zu sehen. Doch er hat nicht nur körperliche Narben davongetragen; sein Gedächtnis und sein Gehör sind beeinträchtigt, und er leidet unter heftigen Kopfschmerzen. Er schläft schlecht, nicht nur wegen der Alpträume, sondern auch, weil er wegen seiner schmerzhaften Verletzungen nach wie vor nicht auf dem Rücken liegen kann.

Die Erfahrungen von Adrien Wayi zeigen, auf welche immer wieder neuen Ideen Folterer kommen, um anderen Menschen Schmerzen zuzufügen. Es geht ihnen darum, mit Gewalt und Terror Informationen oder ein Geständnis zu erpressen, ihr Gegenüber physisch und psychisch zu zerbrechen, ihre Opfer zu bestrafen oder zu erniedrigen, bestimmte Gruppen von Menschen oder sogar ganze Gemeinschaften zu terrorisieren.

Die Wirkung der Folter ... hat tief greifende und lang anhaltende Folgen für die unmittelbaren Angehörigen der Opfer, für die Gemeinschaft, der sie angehören, und für die Gesellschaft als Ganzes. Wer die Folter überlebt, leidet oft am stärksten unter den psychischen Folgen. Viele Folteropfer werden von Scham- und Schuldgefühlen gequält: Sie empfinden es als Schuld, überlebt zu haben, während andere unter der Folter gestorben sind, und schämen sich dafür, durch die Preisgabe von Informationen möglicherweise Freunden Schaden zugefügt zu haben. Andere, von denen eine "unmögliche Entscheidung" verlangt wurde - die Namen von Kameraden preiszugeben oder zusehen zu müssen, wie ein geliebter Mensch gefoltert wird - fühlen sich noch lange, nachdem die körperlichen Narben verheilt sind, verantwortlich für das, was geschehen ist.

Geschlagen wird viel Mit Hilfe der Sprache lässt sich das Grauen der Folter verschleiern, lassen sich die entsetzlichsten Misshandlungen zu Lappalien herunterspielen. Die verbreitetste Form von Folter und Misshandlung sind Schläge. Das Wort mag eher harmlos klingen, die dahinter steckende Realität ist alles andere als harmlos. Schläge werden mit den Fäusten oder mit Stöcken verabreicht, mit Gewehrkolben und peitschenartigen Gegenständen, mit Metallrohren, Baseballschlägern, Stromkabeln und vielem mehr. Die Opfer verlieren Zähne, erleiden Blutergüsse und innere Blutungen, tragen Knochenbrücke und innere Verletzungen davon. Einige sterben an den Folgen der Schläge.

Andere Foltermethoden wie das Eintauchen in Wasser fast bis zum Ersticken, das Überstülpen einer Kapuze für lange Zeiträume, Scheinhinrichtungen, Schlafentzug und der Aufenthalt in einer extrem heißen oder kalten Umgebung hinterlassen kaum sichtbare Spuren, können sich aber auf den Körper und die Persönlichkeit des Opfers ebenso schrecklich auswirken wie Elektroschocks oder Schläge.

So schwellen etwa bei erzwungenem langandauerndem Stehen die Beine an, das Opfer bekommt Kreislaufprobleme und Halluzinationen, und es kann zu Nierenversagen kommen. Manche harmlos klingenden "Vorrichtungen zur Ruhigstellung" können bei langandauernder Anwendung zu Blutgerinnseln und zu Behinderungen, ja sogar zum Tod führen.

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