Unsterbliche Hausmeister

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Im Wiener Funkhaus wurden, dem Zug der Zeit folgend, für den Eintrittswilligen immer höhere Hürden errichtet. Früher genügte es, den Redakteur zu nennen, der einen im Studio erwartete. Unlängst wollte die Empfangsdame (die mich vom Sehen nicht kannte) zum ersten Mal einen Ausweis sehen, um mir ihrerseits einen Ausweis ausstellen zu können. Ich hatte aber keinen bei mir, weshalb sie ihren Kollegen bat, mich zur speziell gesicherten Studiotür zu begleiten. Der machte ein finsteres Gesicht, aber nicht etwa, weil ihm - einem jüngeren Mann - die Mühe der wenigen Schritte zu groß war. Nein, er sagte: "Sie wissen aber schon, dass Sie gesetzlich verpflichtet sind, immer einen Ausweis bei sich zu tragen. Das gehört zu Ihren Staatsbürgerpflichten!"

Der Portier eines Medienunternehmens, der nach eigener Aussage seine "Staatsbürgerpflichten" stets gewissenhaft erfüllt (gewiss noch nie sein Auto falsch geparkt oder zu schnell bewegt hat), fühlt sich berechtigt, eine ihm unbekannte Staatsbürgerin im Polizeiton zu maßregeln. Dabei spielt es gar keine Rolle, dass der Mann sachlich im Unrecht ist: Noch gibt es in Österreich keine generelle Ausweispflicht; im Paragraph 35 des "Sicherheitspolizeigesetzes" ist genau definiert, in welchen Situationen die Exekutive zur Identitätsfeststellung berechtigt ist, jedenfalls nicht: einfach so.

Alarmierend an dieser Begebenheit ist vielmehr die Tatsache, dass ein Angestellter, der für die Sicherheit eines Gebäudes zuständig ist, sich gleich für die Sicherheit des Staates zuständig fühlt. Die öffentlich ventilierte Sehnsucht nach mehr Überwachung macht aus den zu Überwachenden automatisch Verdächtige. Und was ein rechter Hausmeister und Untertan ist, der ist schon auf dem Posten. Karl Korinek hätte für seinen historischen Vergleich nicht die DDR bemühen müssen.

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