Unterricht in Menschlichkeit

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Als Friedensaktivistin erhielt die christliche Palästinenserin Sumaya Farhat-Naser (63) zahlreiche Auszeichnungen. Aktuell engagiert sie sich für die palästinensische Zivilgesellschaft.

Die Furche: Frau Farhat-Naser, worin unterscheidet sich Ihre vergangene Friedensarbeit von der aktuell? Farhat-Naser: Ich habe viele Jahre mit israelischen und palästinensischen Frauen gearbeitet. Es ging darum, politische Aktivitäten zu koordinieren, um beide Gesellschaften zu erreichen. Leider ist das nicht mehr möglich. Jetzt arbeite ich ausschließlich mit palästinensischen Frauen und Jugendlichen und möchte Bewusstsein für politische Probleme schaffen. Palästina-intern muss ein Management gefunden werden.

Die Furche: Was hat eine gemeinsame israelisch-palästinensische Friedensarbeit verunmöglicht?

Farhat-Naser: Persönlich habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, mit Israelis zusammenzuarbeiten, aber die reale Lage hat das verunmöglicht. Es macht keinen Sinn, mit den israelischen Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, inhaltlich zu diskutieren - wir sind uns einig darüber, dass die Besatzung enden und ein Staat Palästina entstehen muss. Leider haben wir aber jetzt auf beiden Seiten nicht mehr die Möglichkeit, aktiv zu werden, um noch mehr Leute für unser Anliegen zu gewinnen. Die Richtung der Regierung ist dahingehend, Angst einzujagen, um die Menschen voneinander abzuschotten. Es ist allein schon physisch schwierig geworden, miteinander zu arbeiten. Deshalb müssen wir neue Wege finden.

Die Furche: Warum verhält sich Israel so?

Farhat-Naser: Was die israelische Politik tut, ist, die Leute dahingehend glaubend zu machen, dass alles notwendig ist für ihr Überleben. Sie hat noch nicht begonnen, den Holocaust zu bearbeiten, denn aus dem Holocaust lernt man Menschlichkeit. Gerade weil der Holocaust da war, muss Israel den Menschen Unterricht geben in Menschlichkeit - das ist die Lehre von Judentum, Christentum und Islam. Man darf nicht zulassen, dass die Religion im Dienste der Politik interpretiert wird. Israel geht es um Land. Und die Spielregeln der Politik von Unterdrückung und von Expansion sind darauf hin ausgerichtet, Land zu gewinnen. Aktuell kämpfen die Menschen auch in Israel gegen Wohnungsnot und soziale Probleme. Die israelische Bevölkerung ist dadurch wieder aktiver geworden, was gut ist, doch spricht sie dabei nicht über die Probleme der Palästinenser. Wir hingegen sind weit weg - als ob es uns nicht gäbe. Die vergangenen 63 Jahre waren der Versuch, aufzuzeigen, dass wir nicht existieren. Aber wir sind ein Volk - auch, wenn mehr als die Hälfte unseres Volkes außer Landes ist. Niemand kann uns zerfetzen und auflösen. (ams)

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