Unvergleichlich scharf und humorvoll

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Die bisher umfangreichste Präsentation des wegbereitenden Frühwerks von Pop-Art-Star Claes Oldenburg mit dem Untertitel "The Sixties“ ist im Wiener Museum moderner Kunst (Mumok) zu sehen. Die Schau überzeugt mehr als vieles, das zuletzt in Wien zu sehen war.

Ein begehbares Miniaturmuseum im Museum. Außen hat es die Form eines abstrahierten Micky-Maus-Kopfes. Innen ist es vollgestopft mit Gegenständen der amerikanischen Konsumgesellschaft. Für in Wien aufgewachsene kunstsozialisierte Kinder der 1980er-Jahre war es das Museum schlechthin. Denn Claes Oldenburgs "Mouse Museum“, das durch den Ankauf der Stiftung Ludwig ins damalige 20er Haus im Schweizergarten gelangte, war alles andere als langweilig. Das mit 385 kleinen Kitschobjekten, Spielsachen, Souvenirs und Skulptur-Modellen gefüllte Häuschen erinnerte eher an eine Spielzeugauslage und weniger an das, was man als Kind mit einem Museum verband.

Für manche Ausstellungsbesucher ist die Begegnung mit dem "Mouse Museum“ daher ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Denn derzeit bildet es den Schlusspunkt einer hervorragenden und umfangreichen Oldenburg-Schau im Museum moderner Kunst. Allerdings wird durch die Einbettung in die Vielfalt von Oldenburgs Frühwerk erst erkennbar, wie durchdacht dieses Monument ist, das erstmals 1972 auf der documenta 5 in Kassel zu sehen war. Durch die wertfreie Aneinanderreihung von trivialen Gegenständen und künstlerisch gestalteten Objekten bricht das "Mouse Museum“ mit der Unterscheidung in Hochkunst und Populärkultur. Es zeigt die Vielfalt und Schönheit kultureller Produktionen, bringt aber auch die Schattenseiten der kapitalistischen Gesellschaft in ihrer Überfülle zum Ausdruck.

Leider keine Mumok-Ohren

Dass das Mumok im Besitz des "Mouse Museums“ ist, war neben der Überzeugungsarbeit des Kurators Achim Hochdörfer mit ein Grund, warum Wien zu der seltenen Gelegenheit kam, diese bedeutende Schau in persönlicher Zusammenarbeit mit dem Pop-Art-Star zu realisieren. Der heute 83-jährige Künstler aus New York bestimmte bis ins kleinste Detail alles mit und ermöglichte es, bisher selten oder gar nicht gezeigte Werke nach Wien zu holen. Oldenburg hatte sogar einen sensationellen Blickfang für den Außenraum geplant: zwei 20 Meter große Micky-Maus-Ohren an der Fassade des Mumok. Sie konnten aber aus finanziellen und witterungstechnischen Gründen nicht verwirklicht werden. Schade. Denn Oldenburgs gigantische Monumente wie der 1969 realisierte "Lipstick on Caterpillar Tracks“ gehören in ihrer Mischung aus Verspieltheit und Gesellschaftskritik zu den spannendsten bildhauerischen Statements im öffentlichen Raum nach 1945.

Der Rundgang durch die chronologisch und übersichtlich aufgebaute Ausstellung überzeugt mehr als vieles, das in letzter Zeit in Wien zu sehen war. Weil sie auf vier Ebenen des Mumok nicht nur zahlreiche Ikonen der Pop Art wie die legendären "Soft-Sculptures“ oder die Vinyl-Plastiken von Hamburgern, Mixern und Ventilatoren publikumswirksam inszeniert hat. Vielmehr lernen die Besucherinnen und Besucher überraschende Seiten Claes Oldenburgs kennen. Sowohl die expressiv anmutenden Pappmache-Objekte der "Street“-Serie als auch die subtilen Zeichnungen und Notizbuchblätter zeigen, dass Oldenburgs Werk tiefsinniger und gesellschaftskritischer ist, als es die Einordnung in die Schublade "Pop Art“ vermuten ließe. Unvergleichlich scharf und sehr humorvoll hat der 1929 in Stockholm geborene Künstler das Verhältnis von Museum und Kaufhaus, von Ware und Kulturgut in seiner Kunst angesprochen. Dass er dabei die Errungenschaften der Konsumgesellschaft weder idealisiert noch verdammt, macht die Betrachtung seiner weichen Lichtschalter, bunten Eislutscher und überdimensionierten Pommes frites so besonders reizvoll.

Claes Oldenburg. The Sixties

MUMOK, bis 28. Mai 2012, Mo 14-19 Uhr, Do-So 10-21 Uhr

Veranstaltung zur Ausstellung: Vortrag Patty Mucha: What actually happened

4. Mai, 19 Uhr, Mumok-Kino

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