Unverwüstliches Zugpferd

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Ralph Benatzky im Doppelpack: "Im Weißen Rössl" und "Herzen im Schnee" in Innsbruck.

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Ralph Benatzky im Doppelpack: "Im Weißen Rössl" und "Herzen im Schnee" in Innsbruck.

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Das unverwüstliche "Weiße Rössl" als Zugpferd für die eher desaströsen "Herzen im Schnee": Das war die Innsbrucker Ralph-Benatzky-im-Doppelpack-Strategie, die als höchst ungleiches Match zwischen St.Wolfgang und St.Anton mit einem bejubelten Sieg des Rössl-Stalls endete. Intendantin Brigitte Fassbaender und Schauspielchef Klaus Rohrmoser haben sich als Regieduo mit Humor und Einfallsreichtum denn auch mächtig ins Zeug gelegt, um im Großen Haus endlich einmal eine "richtige" Operette auf die Beine zu stellen, mit erfrischend hübschen Bühnenbildern und Kostümen von Martin Rupprecht, einem beweglichen Chor, der dank Claudio Büchlers Betreuung auch ordentlich singt, mit dem erfahrenen Edgar Seipenbusch am Dirigentenpult, der schwungvoll und musizierfreudig dafür sorgt, dass sein bestens studiertes junges Konservatoriums-Orchester im Landestheater besteht.

Erfrischende Operette im Großen Haus Im Ensemble erntet Günter Gräfenberg als fast perfekt berlinernder Giesecke die meisten Lacher, aber auch Oswald Fuchs als ballonfahrender Kaiser bereitet viel Vergnügen. Feine Töne erfreuen im sympathischen Sängerensemble, das Hege Gustava Tj¿nn als liebenswürdige Rössl-Wirtin anführt, aufgeregt und leidenschaftlich umworben vom Zahlkellner Leopold alias Walter Ludwig. Im phantastischen Badekostüm umwirbt Dale Albright als stattlicher Sigismund sein zartes Klärchen, das mit Renate Fankhausers Stimme munter zwitschert; in Daniel Rhodes kräftigen Armen findet sich Susanne Winter: als drittes Pärchen Otto und Ottilie. Michael Arnolds zerknitterter Professor, Gerhard Kasals Piccolo und Zita Weber als jodelnd radelnde Briefträgerin beleben die Bühne, der es an Verkehrsmitteln nicht mangelt: Prächtig illuminierte Schiffe und ein Bus voller Japaner zeigen den Fremdenverkehr am Wolfgangsee auf der Höhe.

Kasperltheater mit seltsamem Publikum Ja, der Fremdenverkehr! Der hat auch die "Herzen im Schnee" auf dem Gewissen. Natürlich konnte das Regieduo UMfaL (nomen est omen!) das dümmliche Stück nicht unpersifliert lassen, aber derart grob und lärmend vergewaltigen musste man es wohl auch nicht. Ein unbekömmlicher Brei aus Revue, Brettl, Kasperlspiel und Video zeigt da auf Bettina Munzers hässlicher Bühne total vertrottelte, geldgierig stammelnde Tiroler, dargestellt von einem heroischen Ensemble: Thomas Zisterer, der dämliche Ski-Held Seppl, Andrea Bierbaum, bedauernswerte Braut Rosl mit Prachtstimme, Frank Sonnberger, brüllender Vater, Katharina Leitgeb, klebrig-verliebte Engländerin, Marwan Shamiyeh, ein Langweiler. Einzig Pepi Griesser als Dorfdepp braucht keine falschen Töne, wenn er orakelt: "Seppl, eine Watschn liegt in der Luft"!

Das merkwürdig strukturierte Premierenpublikum in den Kammerspielen flippt aus, wenn's schneit und Skifahrer auf der Bühne erscheinen, ja sogar am Liftbügel durch die Szene rutschen oder mit Skischuhen herumtrampeln. Was da noch von Benatzkys verzerrter Musik übrigbleibt, leitet Hansjörg Sofka.

Und zum Schluss wird gejohlt - und geflüchtet. Das muntere Rössl aber zieht diesen Schmarrn nicht aus dem Schnee!

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