Urban, aber mit Garten

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"Immer Drama um Tamara": Als hässliches Entlein flüchtete Tamara Drewe aus der Enge eines englischen Landlebens. | Als sexy Schwan kehrt sie zurück - und mischt das Landleben auf: Regisseur Stephen Frears über seinen neuen Film.

Stephen Frears hat sich als Regisseur immer wieder den Abgründen berühmter wie unrühmlicher Persönlichkeiten gewidmet. Den eigenen Ruf als Widerspenstiger pflegt er, indem er in Interviews ausschließlich mit Ja oder Nein antwortet. Die FURCHE hatte Glück ?

Die Furche: "Immer Drama um Tamara" ist ein leichtfüßiger Film über die Wege und Geheimnisse des Lebens und der Liebe ?

Stephen Frears: ? oder man könnte sagen, es ist eine Komödie, die die Welt nicht braucht.

Die Furche: Wie bitte?

Frears: Sie müssen verstehen, dass ich sehr bescheiden bin, was meine Sicht darauf angeht. Ich bin nur ein Typ, der Filme macht, ich überlege nicht jedes Mal, welche Themen der menschlichen Natur ich aufarbeiten möchte. Manchmal ist es mir einfach wichtig, dass die Leute Spaß haben, wie ich auch. Aber ich verstehe natürlich, dass das vom philosophischen Standpunkt aus schockierend ist.

Die Furche: Dann anders: Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer so kleinen Stadt und treffen Tamara Drewe im Pub ?

Frears: Wäre ich dann so ein alter Trottel wie die Männer im Film?

Die Furche: Das überlasse ich Ihnen, aber was würden Sie über sie wissen wollen?

Frears: Vermutlich das, was alte Trottel interessiert.

Die Furche: Stimmt es, dass Sie sich selbst als "Zufallsregisseur" bezeichnen?

Frears: Ja. Das heißt nicht, dass ich die Arbeit nicht ernst nehme, aber es gibt Grenzen der Ernstheit. Ich bin vom Film völlig absorbiert, was das Machen oder das Konsumieren betrifft; das finde ich schön und will es genießen können. Verbissenheit passt da nicht dazu.

Die Furche: Als Brite arbeiten Sie hier mit US-Schauspielern - gab es da kulturelle Humorverständigungsschwierigkeiten?

Frears: Tatsächlich hat die Filmkomödie in den USA einen ganz anderen Stellenwert. In England ist Theater alles, was zählt. Vor allem interessant finde ich aber, dass amerikanische Schauspieler oft gar keine professionelle Ausbildung haben, das gefällt mir und das gibt ihnen manchmal viel mehr Intensität als jedem geübten britischen Theatermimen. Absichtlich witzig sein ist den Engländern nicht so in die Wiege gelegt, man schlägt hier mehr Kapital aus der unfreiwilligen Komik. Wir haben schließlich auch ein Königshaus, das uns das vorlebt.

Die Furche: Untreue ist auch in diesem Film ein dominierendes Thema - ist Monogamie Ihrer Meinung nach haltbar oder ist es ein bloßes Ideal?

Frears: Ich bin seit 35 Jahren verheiratet und ich schätze, ich hatte einfach Glück. Ich habe zur Monogamie nicht wirklich eine Meinung, weil ich sie noch nie hinterfragt habe. 35 Jahre glückliche Ehe sind einerseits ein Wunder, anderseits harte Arbeit. Keine Institution garantiert Glück, aber ein wenig Disziplin ist sicher dienlich.

Die Furche: Was macht "Immer Drama um Tamara" zu einem typisch britischen Film? Oder soll er das nicht sein?

Frears: Das soll er sein, und wie! Die Geschichte wirft einen scharfen Blick auf einen kleinen Teil der britischen Gesellschaft. Posy Simmonds umreißt ihre Charaktere messerscharf. Aber nicht ohne herzliche Großzügigkeit und Witz.

Die Furche: Welche Aspekte der Gesellschaft sind das speziell?

Frears: Die Mittelschicht, speziell urbane Leute, die aufs Land ziehen oder vorübergehend dort leben müssen oder wollen.

Die Furche: Warum ist das so ergiebig?

Frears: Niemand ist unbeholfener als Menschen mit Geld.

Die Furche: Sie haben einmal gesagt, Großbritannien würde unfreiwillig und unter größtem Widerstand in den Multikulturalismus gedrängt?

Frears: Ja, für Teile des Landes trifft dies unumwunden zu. Ich lebe in einem multikulturellen Teil Londons und es gefällt mir dort sehr. Seit ich 1985 mit dem Autor Hanif Kureishi an "Mein wunderbarer Waschsalon" arbeitete, bin ich politischer. Es hat mir die Augen geöffnet. Ich wuchs in der weißen Mittelschicht auf. Seit ich die ein wenig verlassen habe, ist das Leben viel interessanter.

Die Furche: Und nun? Urban oder Farm?

Frears (lacht laut): Urban, mit Garten.

Immer Drama um Tamara

UK 2010. Regie: Stephen Frears. Mit Gemma Arterton, Roger Allam.

Verleih: Lunafilm. 111 Min. ab 30. 12.

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