Werbung
Werbung
Werbung

Zu Lebzeiten einflussreich, danach stiefmütterlich behandelt: Fritz Wotruba. Ein Porträt zum 100. Geburtstag von Johanna Schwanberg

Man hat ihn mit Michelangelo verglichen. Man hat ihn in eine Reihe mit Henry Moore und Alberto Giacometti gestellt. Man hat ihn verehrt wie kaum einen zweiten Künstler dieses Landes. Befreundet war er mit keinen geringeren als Elias Canetti und Robert Musil. Über ihn geschrieben haben Theodor W. Adorno, Max Frisch und Fritz Hochwälder. Die Generation der über sechzigjährigen Künstler und Kunsttheoretiker senkt noch heute ehrfurchtsvoll den Blick, fällt der Name Fritz Wotruba. Kein Zweifel: "Wotruba ist Klassiker", urteilte Monsignore Otto Mauer treffend - und der Kunsthistoriker Wieland Schmied meinte 1967: "Die Skulpturen von Fritz Wotruba gehören zu den bedeutendsten Ereignissen der Kunst unseres Jahrhunderts."

Heutige Bildhauerstudenten geben sich eher wortkarg, fragt man sie nach der Bedeutung und dem Werk dieser die Kunstszene der österreichischen Nachkriegszeit dominierenden Gestalt. Liegt dies an dem angeblichen Bildungsmangel der heutigen Jugend? Hat die materialhaft-archaische Kunst Fritz Wotrubas für die immateriell orientierte Gegenwartskunst keine Relevanz mehr? Oder spiegelt diese mangelnde Präsenz nicht vielmehr Österreichs sorglosen Umgang mit dem Werk dieses Künstlers?

Gepriesen und vergessen

Vermutlich keine heimische Künstlerpersönlichkeit war zu Lebzeiten so einflussreich und an seinem 100. Geburtstag so stiefmütterlich behandelt wie Fritz Wotruba. Sicherlich: Nach starker Medienpräsenz in den letzten Monaten, bei der es weniger um die Kunst als um Vermögens- und Nachlassstreitigkeiten ging - um den Verkauf der Wotruba-Villa und angeblich verschwundene Millionen - bemüht man sich um Schadensbegrenzung.

Der Fritz-Wotruba-Verein, der unter anderem im Kreuzfeuer der Kritik stand, betont auf seiner Homepage, dass die beiden großen internationalen Ausstellungen im Kunsthaus Zug und in der Münchner Pinakothek der Moderne ohnehin zum Großteil mit Werken des Vereins bestückt werden. Sogar die Kurien des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst, denen Wotruba als Preisträger ebenfalls angehörte, sahen sich zu einer Aussendung veranlasst und forderten "entsprechende Veranstaltungen, die die internationale Bedeutung dieses Bildhauers hervorheben".

Tatsache bleibt: Die heimische Jubiläumsschau im Belvedere, die Wotrubas Frühwerk unter dem Titel Einfachheit und Harmonie beleuchtet und an seinem Geburtstag eröffnet wird, hat man kurzfristig aus dem Boden gestampft. Fakt ist auch, dass die bereits in den 1970er Jahren angedachte ständige Präsentation von Wotrubas Œuvre bisher nie zustande kam. Im neu adaptierten 20er-Haus soll dieses seit Jahrzehnten zu Recht

beklagte Defizit 2008 ein Ende finden. Bereits Agnes Husslein-Arcos Vorgänger Gerbert Frodl versprach, hier endlich dem Werk Wotrubas eine Präsentationsfläche zu bieten - ein Plan, der auch von der neuen Belvedere-Direktorin weiterverfolgt wird.

Geboren wurde Fritz Wotruba am 23. April 1907 in Wien - als jüngstes von acht Kindern. Der Vater war Tscheche, die Mutter Ungarin. Eine typisch österreichisch-multikulturelle Herkunft also. Zu seiner Heimat wird Wotruba später eine ambivalente Beziehung haben. Einerseits hat er die Atmosphäre Wiens stets für seine Arbeit gebraucht.

Andererseits konnte er sich mit dem Nachkriegsösterreich, in das er nach seiner Exilzeit 1945 zurückkehrte, nicht mehr anfreunden und schimpfte darauf in geradezu Thomas Bernhard'scher Manier: "Der Geist in diesem Lande hat kein Zuhause, er lebt in Untermiete. Die kleinen Herren von heute, die als emsige Totengräber fungierten, wünschen sich jetzt die Auferstehung eines vom Vor- und Nachmärz entkeimten geschlechtslos sterilen Nationengebildes, das über alle Vorzüge des alten Österreichs ohne dessen Nachteile verfügen soll."

Obsession: Bildhauer

Bildhauer wollte Fritz Wotruba eigentlich schon immer werden. Bereits während seiner Lehrzeit in einer Graveur- und Stanzenwerkstatt kopierte er als Fünfzehnjähriger vor Arbeitsbeginn berühmte Bildhauerzeichnungen und besuchte den Abend-Akt der Wiener Kunstgewerbeschule. Später wurde er in die Bildhauereiklasse von Anton Hanak aufgenommen und lernte dort seine künftige Frau Marian Fleck kennen. Nach Unstimmigkeiten mit Hanak verließen die beiden die Schule.

Wotruba erkannte bald, dass er seinen eigenen Weg gehen muss. Er mietete eine Baracke und startete erste Versuche in Stein. 1929 entstand die Figur Junger Riese, die zwar noch an impressionistische Skulpturen oder an die Plastiken von Wilhelm Lehmbruck erinnert, aber in ihrer Vereinfachung der Kopfform bereits in eine neue Richtung weist. Eine vier Jahre später gemeißelte Große dunkle Figur zeigt schon unverkennbar die Handschrift des Bildhauers. Auch hier geht es, wie stets bei den Skulpturen Wotrubas, um die Darstellung des Menschen, allerdings dominiert eine reduziert-abstrahierte Formensprache.

Exil und Rückkehr

Einen großen Einschnitt im Leben des Bildhauers stellte die Exilzeit dar. Fritz Wotruba und seine jüdische Frau waren vor den Nationalsozialisten in die Schweiz geflohen, wo sie das Bankiersehepaar Fritz und Editha Kamm kennen lernten. Bald entwickelte sich eine für beide Seiten fruchtbare Freundschaft. Fritz Kamm unterstützte Wotruba finanziell durch den Ankauf seiner Werke, umgekehrt wuchs in dem Bankiersehepaar erst durch die Begegnung mit dem Wiener Bildhauer das Interesse für bildende Kunst.

Auf Empfehlung Fritz Wotrubas, der 1945 als Akademieprofessor nach Wien zurückkehrte, erwarb Kamm 1952 die Galerie Würthle. Fritz Kamm erklärte seinen Bildhauer-Freund zum künstlerischen Leiter der Galerie, der diese bis 1964 führte - mit dem Ziel, sie "zu einem erzieherischen Vorposten der zeitgemäßen europäischen Kunst auszubauen". Die Galerie fungierte bis zur Eröffnung des 20er-Hauses 1962 neben der 1954 gegründeten Galerie nächst Sankt Stephan als geistiges Zentrum der Moderne in Wien.

Neben dem kulturpolitischen Wirken im Österreich der Nachkriegszeit und der einflussreichen Tätigkeit als Akademieprofessor verfolgte Fritz Wotruba seinen künstlerischen Weg konsequent weiter. Er löste sich immer weiter vom Realismus, arbeitete nun verstärkt mit kubischen Formenelementen und erklärte die kantig-blockhafte Grundstruktur des Steins sowie dessen grobe Oberfläche zum wesentlichen Ausdrucksträger seiner Kunst.

Max Frisch, der den Bildhauer in seinem Atelier im Wiener Prater nach dem Krieg besuchte, zeigte sich von der Monumentalität der Steinfiguren und der Prozesshaftigkeit der Wotruba'schen Arbeitsweise tief beeindruckt: "Seine jüngeren Arbeiten wahren das Urgesteinhafte oft in einem Grad, dass man, die Figur betrachtend, einen Eindruck von andauernder Geburt hat."

Internationales Echo

Wotruba, der zweimal auf der Biennale in Venedig (1948 und 1952) und dreimal auf der Documenta (1959, 1964 und posthum 1977) vertreten war, verhalf der österreichischen Plastik zu internationalem Ansehen. Durch zahlreiche Kunst-am-Bau-Arbeiten und Denkmäler wurde er im öffentlichen Raum immer präsenter - und prägte das Theatergeschehen durch innovative Bühnenbilder.

Sein wohl bedeutendstes Vermächtnis im öffentlichen Raum ist die Dreifaltigkeitskirche in Wien Mauer, besser bekannt als "Wotruba-Kirche". Der aus 152 rohen Betonkuben zusammengesetzte Sakralbau versteht sich als architektonische Raumskulptur - als Manifestation des bildhauerischen Ansatzes von Fritz Wotruba, auch wenn um die Qualität der Umsetzung von Wotrubas Plänen Uneinigkeit herrscht.

Wotruba war kein "konfessioneller Katholik", dennoch empfand er die "religiöse Welt und den christlichen Kulturraum als schöpferisches Reservoir", wie er kurz vor seinem Tod schrieb. "Als mir angeboten wurde, eine Kirche zu bauen, habe ich sofort zugegriffen, denn es fasziniert mich, eine Kirche für Katholiken zu bauen, heute und jetzt. Diese Kirche wurde schon im Modell von den konservativen Katholiken angegriffen. Zu Unrecht, denn auch der Geist der Kirche ist in Bewegung. Warum sollte ihr Gehäuse in Bewegungslosigkeit erstarren?"

Die Eröffnung seines von Architekt Fritz Gerhard Mayr realisierten Kirchenbaus im Jahr 1976 erlebte der Bildhauer nicht mehr. Er starb am 28. August 1975.

FRITZ WOTRUBA.

EINFACHHEIT UND HARMONIE

Das frühe Werk 1928-1949

Oberes Belvedere

Prinz Eugenstraße 27, 1030 Wien

www.belvedere.at

24. 4.-23. 7. Di-So 10-18 Uhr

SKULPTUR OHNE EIGENSCHAFTEN. HOMMAGE AN FRITZ WOTRUBA

Kunsthaus Zug

6. 5.-19. 8.

FRITZ WOTRUBA -

ZEICHNUNGEN UND STEINE

Pinakothek der Moderne, München

27. 9.-25.11.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung