Ver-inszenierter "Schwejk?"

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Uraufführung von Werner Fritsch in den Kammerspielen des Linzer Landestheaters.

Nein, keine Schwejkiade nach dem literarischen Urvater HaÇsek. Werner Fritsch hat vielmehr mit seinem Kunstwerk aus Hochsprache und gesprochener Regionalsprache mit oft umgestellter Syntax ein faszinierendes und bildkräftiges, aber auf Anhieb nicht leicht eingängiges Episodendrama geschaffen. Ein vielschichtiges Pandämonium des 20. Jahrhunderts - kostbares Material für einen Regisseur, das Gerhard Willert zugunsten von peinlichen Mätzchen und Leerläufen verschenkte. Ein potentes Ensemble wurde von ihm im Stich gelassen. Offensichtlich hat er die Botschaft des Autors nicht verstanden: Sie heißt: Leben, pralles, blutvolles Leben.

Nun denn: Als Auftragswerk des Linzer Landestheaters erlebte "Schwejk?" in seiner Ver-inszenierung eine enttäuschende Uraufführung, bei der am Schluss nur mehr ein Teil des Publikums anwesend war, das seinem Ärger mit heftigen Buhrufen Luft machte. Zu derb, zu plakativ, zu klischeehaft gerieten zu viele der zahlreichen und schnell wechselnden Szenen (Bühne Anne Neuser). Im Ganzen gesehen gab das Ensemble sein Bestes, auch bei den absurdesten Anforderungen. So musste etwa die arme Maxi Blaha in die "Rollen" von Papagei, Katze, Hund, Schwein und Pfarrköchin schlüpfen. Ein Witz? Leider nein.

Zwischen Urknall und Neuerschaffung der Welt durch den augenzwinkernden Herrgott (Vasilij Sotke) zeigt uns Fritsch in Video-Clip-Technik die Jahrzehnte von 1920-60. Unweigerlich werden die Figuren aus dem Kosmos seiner Werke hineingezogen in den Sog der politischen Ereignisse: Machtergreifung Hitlers, SA, SS, KZ, Hunger und Tod. Unterbrochen werden sie nur durch Sequenzen "Jenseits des Todes" in der Jetztzeit. "Auf dem Friedhof der Fernseher" sehen wir Wenzel die Toten besuchen und nachschauen, wie diese jetzt leben. Um der Schwejk-Falle zu entgehen, hat der Autor das " Schwejk-Prinzip" auf drei Hauptfiguren aufgeteilt: Auf Die Courasch mit ihrer Überlebensstrategie fällt der schelmenhafte und auf den überangepassten Metzger Häcksler der anarchistische Aspekt. Wie der Knecht in Fritschs Roman "Cherubim" heißt auch hier sein Schwejk Wenzel, der den "parzivalhaft-tumben Aspekt" verkörpert. Heiner Take spielt diesen Wenzel mit hinreißend naivem Charme, mit erstauntem Blick und einer guten Portion Schlitzohrigkeit. Oder ist es eine subtile Form der Subversion? Kein "Schwejk" wird uns das je genau wissen lassen! In der Rolle der pfiffigen und warmherzigen Courasch ist Olga Strub ihm ebenbürtig. Ergreifend ist die Episode im Viehwaggon auf der Bahnfahrt ins KZ. In Szenen wie diesen erweist sich Willert als sehr sensibel in der Personenführung. Kontraproduktiv sind die Brüllorgien, die er der so wichtigen Figur des Häcksler gestattet. Andererseits blieben leisere Töne schon in der fünften Reihe unverständlich. Vieles wurde auch von dem schrägen Akkordeonspiel zugedeckt. Hört das niemand bei den Proben? Außerdem hätte dem Stück eine Straffung gut getan.

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