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Über brachiale Übergriffe und zynisches Verhalten amerikanischer, britischer und deutscher Streitkräfte im Irak oder Afghanistan aber hat sich die Weltöffentlichkeit mit Recht empört. Die Frieden herbeiführen und für Ruhe und Ordnung in Krisenherden sorgen sollten, haben selber im Übermaß und am falschen Ort Gewalt ausgeübt und an hilflosen Gefangenen ihren Privatkrieg fortgesetzt. Doch enthebt uns die Verurteilung nicht der Erklärung.

Die Sprachgeschichte lehrt uns wieder einmal, dass die Welt auch ehedem nicht heil war. Im Lateinischen bezeichnete latro zunächst den Söldner. Nach den unseligen Bürgerkriegen im Rom des ersten vorchristlichen Jahrhunderts kippte das Wort semantisch zu "Straßenräuber".

Das ererbte deutsche Wort Haupt wurde in der Lesart des Körperteils nach 1500 allmählich durch Kopf ersetzt. Ausdrücke wie Hauptweh oder Hauptball sind wohl unvorstellbar. Und bei Kopfbahnhof wird (im Gegensatz zu Hauptbahnhof!) der Schädel wenigstens als Sprachbild benützt. Die Etymologie (lat. cuppa "Becher", engl. cup) verweist auf ein Gefäß, das später auch die Bedeutung "Hirnschale" annahm. Als Lösung bietet sich an, dass in einer besonders kriegerischen Zeit die Soldaten das "Haupt" erschlagener Gegner zynisch "Scherbe(n)" genannt haben. Später hat sich dieses Affektvokabel allgemein durchgesetzt.

Der Linguist Hans Sperber hat ähnliche psychohygienische Vorgänge für das Soldatenidiom im Ersten Weltkrieg konstatiert. Der einschlägige Jargon hat kriegerisches Vokabular in den zivilen Bereich getragen (Drahtverhau für Stoppelbart, Handgranate für Kartoffel), aber auch harmlose Ausdrücke militärisch eingefärbt (Nähmaschine für Maschinengewehr).

Knappes Resümee: Wer Gewalt sät, kann nicht Harmonie ernten. Brutalität aber ist nicht ein Merkmal unserer Tage.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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