Zufall ist es gewiss nicht, dass in dem Monat, in dem die Staatsoper einen neuen Reimann präsentiert, sich auch das Haus am Fleischmarkt dieses Komponisten erinnert. Mit jenem Stück, das wie geschaffen scheint für dieses intime Haus: der Strindberg-Oper „Die Gespenstersonate“.
1949 lernte Aribert Reimann anlässlich eines Schwedenaufenthalts den Stoff kennen. Als Sujet für seinen Opernerstling wählte er aber nicht diesen Strindberg, sondern dessen Kammerspiel „Ein Traumspiel“. Erst nach seinem Welterfolg „Lear“ wandte er sich der „Gespenstersonate“ zu. Nach einer großen Oper wollte er ein „Stück Kammermusik mit Gesang“ komponieren. Eine Aufgabe, die ihm anfangs nicht leicht fiel. Erst als er erkannte, dass sich auch mit ein oder zwei Instrumenten ebenso so viel ausdrücken lässt, wie mit 80 oder 90, die er in seinen bisherigen Opern verwendet hatte, wendete sich das Blatt.
Musikwissenschafter wollen in dieser knapp eineinhalb stündigen Kammeroper Parallelen zu Schönbergs erster Kammersymphonie sehen, erkennen in den einzelnen Teilen des Stücks Sonaten- und Variationenform, Adagio, Scherzo, eine Passacaglia. Wie sehr Reimann sich bei der Konzipierung von solchen formalen Gedanken leiten ließ, ist nicht bekannt. Ihm ging es um ein Ensemblestück, bei dem jeder der zwölf Instrumentalisten ebenso wichtig ist wie die Sänger. Daraus erfährt die das Sujet mit gezielten Einwürfen mehr kommentierende als zu neuen Deutungen aufbrechende Musik ihre spezifische Interaktion.
Durchsichtigkeit und klarer Ausdruck
Zwei Glaswände samt angedeuteter Stiege (Ausstattung: Cordelia Matthes) bilden das Ambiente, in dem Regisseur Peter Pawlik, unterstützt von überraschend zurückhaltenden Lichtefeffekten (Christian Weißkirchner), die einzelnen Figuren, singende wie stumme, gekonnt durch das skurrile Geschehen führt. Den für seine Verbrechen schließlich mit dem Tod büßenden fiesen Direktor Hummel (rollendeckend Hans Gröning), den letztlich zum Erlöser stilisierten Studenten Arkenholz (nicht immer höhensicher Alexander Mayr), den bald seine Fassung verlierenden Oberst (Brian Galliford), dessen zur Mumie erstarrte Frau Amalie (Karin Goltz), deren von der Wahrheit in den Tod getriebene Tochter Adele (brillant Cornelia Horak).
Ted Schmitz und Andreas Jankowitsch geben das mit allen doppelbödigen Wassern gewaschene Bedienstetenpersonal. Annette Schönmüller leiht ihren dunklen Mezzo der Tochter des toten Konsuls. Elisabeth Wolfsbauer hat als Köchin beim Oberst ihren effektvollen Auftritt.
Reimanns Musik ist bei den zwölf, sich selbstverständlich zum Orchester der Wiener Kammerorchester formierenden Solisten auch deswegen in guten Händen, weil sie Daniel Hoyem-Cavazza sicher und unprätentiös durch die Klippen der auf unbedingte Durchsichtigkeit und klaren Ausdruck zielenden Partitur führt, dabei aber nie vergisst, dass die Verkündigung der Botschaft des Stücks letztlich den Sängern vorbehalten ist.
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