Verdiente Wiederbelebung

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Das Tiroler Landestheater lässt mit Salieris "Falstaff" und einer Uraufführung aufhorchen.

Premieren-Wochenende abseits des Alltäglichen im Tiroler Landestheater: Die Uraufführung der Kammeroper "Häftling von Mab" des Südtiroler Komponisten Eduard Demetz zum Libretto des Innsbruckers Klaus Händl verlief in den Kammerspielen so spannend wie am Abend darauf die konzertant-halbszenische Aufführung von Antonio Salieris "Falstaff", einem amüsanten Beitrag zum Shakespeare-Zyklus von Intendantin Brigitte Fassbaender.

Sie selbst war es, die dem besonders seit Shaffers "Amadeus" viel geschmähten Salieri, über dessen Mozart-Mörderlegende man den Wiener Hofkomponisten fast vergessen hat, zur verdienten Wiederbelebung und dezenten Buffonerie auf der von Michael D. Zimmermann launig markierten Bühne verhalf. Dort thronte, in die Höhe gestuft, auch das Innsbrucker Symphonieorchester, diesmal eher al fresco, mehr routiniert als differenziert geführt von Leif Klinkhardt, der am Cembalo auch die Rezitative begleitete. Davor hatten die Sänger ihre Notenpulte, als Fensterchen mit Sonnenjalousie sehr putzig dekoriert. Zuweilen durften sie sich auch bewegen, ihre Talente als Darsteller ausspielen, was mit den schwankenden Noten in der Hand eher wie auf der Probe aussah. Dabei sangen sie durchwegs hervorragend: der ideal besetzte, vollsaftige Sir John des Carlo Hartmann, die brillanten Damen Ford und Slender mit den Edelstimmen Birgitte Christensen und Marie-Claude Chappuis, der junge Tenor Marwan Shamiyeh mit den köstlichen Verkleidungstricks und Rachearien des Master Ford, Joachim Seipp als lässiger Master Slender, Kurt Schobers ironischer Bardolfo und Anja Scholz als kecke Betty. Wie stets bewährt Claudio Büchler als Chorleiter.

Salieris lockere, mit Mozartschen Pointen reich versehene Musik von 1799 konnte, wie sie da aus goldenen Kehlen kam, ihre Wirkung nicht verfehlen; es gab viele Lacher und großen Applaus.

Begeisterung erntete auch die neue Oper "Häftling von Mab", in der Händl und Demetz in die Tiefen des Unterbewußtseins abtauchen. Mab, von Shakespeare zitierte keltische Mythenfigur, diktiert die Träume und hält den Mörder Richard in Bann. Hat er seine Familie ausgelöscht oder träumt er es? Er wähnt sich frei, bleibt aber gefangen in seinen Erinnerungen, auch wenn er seine Existenz mit einem Schaffner gegen das unerbittliche Hin- und Herfahren tauscht. Sieben Personen geistern durch das krause Traumspiel, das Norbert Mladek auf der Minibühne Bettina Munzers fast choreographisch inszeniert hat. Als mysteriöse Mab erklimmt Susanne Winter im schwarzen Abendkleid (Kostüme: Julia Libiseller) höchste Sopranhöhen, dem Häftling im Frack, der unversehens im Sträflingspyjama dasteht, gibt Tenor Dale Albright zwingenden Ausdruck; famos bewältigen zudem Adalbert Waller, Christoph Kayser und Barbara Camenzind die schwierigen Gesangspartien. Raffiniert collagiert Demetz markante Signale des 20. Jahrhunderts vom Expressionismus bis zur Elektronik; fesselnd und feinfühlig setzt Dorian Keilhack mit 16 Musikern die vom Schlagzeug dominierte, mit originellen Klangerzeugern bereicherte, rhythmisch vertrackte Partitur um, in der zarte Lyrik neben aggressiv-Plakativem, ein Kinderlied neben mittelalterlichen Rosencreutz-Liebesstrophen steht.

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