Verehrte Elisabeth Orth!
Liebe Lisl!
Ich bitte um Deine und Deiner Schwestern Vergebung, aber - soll ich - nein, ich muss mich entschuldigen! Ich war nicht bei der Einsegnung in der Kirche und auch nicht bei der Grablegung Deiner Mutter. Du kennst das, Termine, Verabredungen - und ganz ehrlich: Ich geh gar nicht gern auf Friedhöfe.
Ich hab - und deshalb schreib' ich Dir, damit Du es weißt - in der Stunde der Seelenmesse ein Gebet für Sie gesprochen und an Euch gedacht.
Sie ist gestorben, aber tot ist sich noch lange nicht. Ihre Stimme, die Stimme Österreichs, klingt nach in uns allen, und die Erinnerung lebt weiter. Lebt weiter in uns und wird weiterleben auch noch in der nächsten Generation. Sie wird den Spruch "Die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze" widerlegen, sie war so sehr Symbol, dass sie ihr ewiges Denkmal sein wird.
Wenigen unseres Berufes wird die Gnade des Nicht-Vergessen-Werdens zuteil. Paula Wesselys Name wird wie der der Duse lange klingen. Ich weiß, das ist kein Trost für Dich, aber so ein Wissen gibt Kraft und Stärke. Ich danke Euch, dass Ihr Euch so sehr um sie, die Große, gekümmert habt und dass Ihr sie ohne Pomp (den hat sie nicht notwendig!) an die Seite Eures Vaters zur Ruhe gelegt habt. Ich werde einmal an das Grab der beiden gehen und dort still und ruhig an "die Wessely" und "den Attila" denken.
Mein patriotisches Gefühl befiehlt mir auszusprechen, was ich denke: Mit der Wessely ist ein Stück des wahren Österreich gegangen; dieses Österreich, das immer mehr versinkt, weil billige Reden, freches Auftreten und armselige Geisteshaltung das Bild unseres Landes verschandeln.
Paula Wessely war das, was wir an Österreich so lieben, Wahrheit, Klarheit, Weichheit und Härte. Eine große Künstlerin, eine große Frau ist nicht mehr. Unsere Liebe zu ihr wird weiterdauern. Sei umarmt und getröstet. Ihr könnt stolz sein. Ihr seid die Kinder einer Jahrhunderterscheinung.
Handkuss Dein Fritz
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