Vereinigung des Unvereinbaren

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Was sich wie ein Wort gewordener Widerspruch liest, ist semantische Pointe und zugleich Überschrift von Hans Weigels oft aufgelegtem und gern verschenktem Buch "O du mein Österreich". Welche Gegensätze darin hintergründigen Sinn stiften, zeigen Beispiele der folgenden Art: "Wer zu singen vermag, Alles is hin', der beweist dadurch, daß vieles vorhanden und in Ordnung ist." Oder gar: "Nur wer sich nicht kennt, ist ganz er selbst." Und so erscheint dem Autor Österreich als "das staatgewordene Paradox". Was sich schon aus der Beobachtung ergibt, dass zahlreiche kultivierte Einwohner im Brustton der Überzeugung und auf höchstem sprachlichem Niveau verkünden, hierzulande gäbe es ausschließlich Analphabeten.

Seine lebensbegleitenden Reflexionen über die Sprache hat Weigel in einem eigenen Band zusammengefasst. "Die Leiden der jungen Wörter" sind über das spielerisch verfremdete Goethezitat hinaus ein kritisches Programm. Sprachschluderei wird schonungslos bloßgestellt, der Zeitgeist bleibt nicht ungeschoren, überflüssige Wucherungen im, Neusprech' verfallen dem ätzenden Spott. Die Verfasser von Werbetexten, jene Barden des Körpergeruchs und Herolde der Achselnässe machen sich dabei der schlimmsten Vergehen schuldig. Neben ihrem aufdringlichen Wortmelos wirken für den Kritiker selbst kitschige Schlagertexte herb wie ein Streichtrio von Max Reger.

Zu Fremdwörtern bezieht Weigel eine differenzierte Haltung. Relevant sei, wie er zynisch meint, besonders für Lyriker unverzichtbar, da es ja auf Elefant reimt. Dagegen bezeichnet Frust ein modernes Lebensgefühl, das kein gesuchtes Ersatzwort angemessen wiedergeben könne. Und wollte man jeden fremden Ausdruck peinlich und zwanghaft vermeiden, so wäre Radioaktivität wohl als Rundfunktätigkeit zu umschreiben. Der Schöpfer dieses gezielt absurden Beispiels wurde am 29. Mai 1908, also vor 100 Jahren, geboren. (Siehe auch Seite 19.)

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