Verflachendes Gerichtssaaldrama

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"Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, ausgemergelt, hysterisch nackt/wie sie sich im Morgengrauen durch die Negerstraßen schleppten auf der Suche nach einer wütenden Spritze“, so beginnt eine der revolutionärsten Rhapsodien der Geschichte künstlerischer Freiheit: Der Gedichtband "Howl“ machte den kaum 30-jährigen Allen Ginsberg über Nacht berühmt - und 1956 zum erklärten Sitten-Staatsfeind Nummer 1. Das in einer Zeit, der nichts mehr heilig zu sein schien, in der die Kriege tobten in Korea und später in Vietnam, in der innenpolitisch die Paranoia um sich griff und außenpolitisch der Kalte Krieg die Fronten vereiste. Da entschied sich Lawrence Ferlinghetti in seinem legendären, noch heute bestehenden Verlag City Light Books, das "Geheul“ zu veröffentlichen. Und fand sich wegen "Anstiftung zur Obszönität“ bald vor Gericht wieder.

Die vom Dokumentarfilm kommenden Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman zeigen in ihrem Film "Howl“ den Dichter Ginsberg (wortgewaltig dargestellt von James Franco) im Wechsel bei seiner legendären Lesung im Herbst 1955 in San Francisco und - immer abseits des Gerichtssaales - als Interviewpartner, der die Idee der Beat-Literatur referiert: Freiheit. Mit körnig flackernden Schwarzweißbildern, einem Mix aus Biopic-Nahaufnahmen und empathischer Rekonstruktion der Ereignisse versuchen sie, diese Prä-68er-Ära wachzurufen. Doch meist endet dies bloß in überzuckerten Illustrationen von Gedicht-Passagen, unterlegt mit kitschiger Klaviermusik.

Auch die Inszenierung des Prozesses geht am Brennpunkt der gesellschaftlichen Umwälzungen vorbei und verflacht dort zum herkömmlichen Gerichtsszenario. Angeklagt ist das Gedicht, aber verfilmt noch lange nicht.

Howl

USA 2010 - Regie: Rob Epstein, Jeffrey Friedman. Mit James Franco, David Strathairn, Jon Hamm, Bob Balaban. Stadtkino. 84 Min.

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