Vergangenheit aus Vogelperspektive

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Ein Fotoband lässt Geschichte aus luftigen Höhen lesen.

Wer glaubt, Archäologen würden sich nur tief in die Erde hineingraben, irrt. Im Gegenteil erheben sie sich auch gerne in die Lüfte, denn oft wird erst aus der Distanz erkannt, was teils jahrtausendealte Geschichte erzählt.

Weit genug entfernt von der Erdoberfläche gibt es zum Beispiel Formationen zu sehen, die durch unterschiedlichen Bewuchs von Getreide sichtbar werden, das verschieden hoch in verschiedenen Farben wächst. Was wiederum auf unterschiedliche Böden hinweist, auf unterirdische Anlagen (wie etwa im abgebildeten Foto). Oder aber es gibt Bodenverfärbungen zu erkennen, die zu ebener Erde überhaupt nicht wahrnehmbar sind. Oder Konturen, die sich durch schattenwerfende Stätten ergeben, durch Denkmäler, die nur gerade so weit aus dem Boden herausragen, dass sie - bei entsprechendem Licht fotografiert - in ihren Schatten Kontur zeigen. Die Perspektive von oben hilft aber auch kaum zugängliche Orte ausfindig zu machen, etwa inmitten dichter Regenwälder.

Die Kunst, derartige Ansichten auf Fotografie zu bannen, ist alt. Die ersten archäologischen Luftbilder entstanden schon Mitte des 19. Jahrhunderts, unter alles anderen als einfachen Bedingungen. Die Fotografen dazumal hatten nicht nur mit der Navigation des Ballons und den Luftverhältnissen zu kämpfen, sondern auch noch mit riesigen und vor allem schweren Kamerageräten. Zudem mit der Zeit: denn die mitgebrachten Glasplatten mussten innerhalb von 20 Minuten belichtet werden. Die Ballone waren daher auch mit Dunkelkammer und notwendigen Materialien ausgerüstet.

Weil es doch sehr aufwendig war, die gesamte Technik zum sofortigen Entwickeln mit in den Himmel zu schicken, wurde die Kamera auch alleine per Ballon an einer Leine himmelwärts gelassen. Eine andere Möglichkeit wiederum war es, Drachen als Kameraträger zu verwenden, welche etwa Sir Henry Wellcome 1913 zur Dokumentation seiner Grabungen im Sudan einsetzte.

Kameraträger wie Brieftauben wurden vor allem im Krieg genutzt, der die Luftbilddokumentationen für ganz andere Zwecke heiligte. Überhaupt ist die Entwicklung von Luftfotografie von Anfang an eng mit militärischen Zwecken verbunden und die Aufnahmen von archäologischen Stätten passierten meist eher nebenher.

Wie groß die militärische Bedeutung der Aufnahmen von oben auch heute noch ist, spürte Fotograf Georg Gerster aus eigener Erfahrung, die er in seinen Erinnerungen festhält. Mehr als einmal durfte er nur in Militärbegleitung fotografieren. Was ihm abzubilden gelang, zeigen nun die 400 Seiten des vorliegenden informativen Bandes. Man sieht kreisrunde, wie mit dem Zirkel gezogen erbaute Stadtanlagen, Säulenstraßen, Villen und Paläste, Theater und Stadien, befestigte Ringanlagen und quadratische Kastells, Pyramiden, Nekropolen, Kultstätten, Labyrinthe, Tempelanlagen, Aquädukte, Stauanlagen und eben Spuren am Boden, die auf Unterirdisches verweisen.

Zu allen Bildern gibt es reichlich Information und im Anhang findet sich noch ein Extrabeitrag über die unvergleichliche Übersiedlung von Abu Simbel anlässlich der Staudammerrichtung in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Dieses Kulturdenkmal wurde in Teile geschnitten und 65 Meter höher und 180 Meter weiter landeinwärts wieder zusammengesetzt. Georg Gerster war als Fotograf mit dabei.

Flug in die Vergangenheit

Archäologische Stätten der Menschheit in Flugbildern

Von Georg Gerster

Hg. v. Charlotte Trümpler

Verlag Schirmer/Mosel, München 2003

415 Seiten m. Fotograf. und Farbfotos, geb., e 59,70

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