Vergesst Stefan Zweig

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Der Strom des Vergessens spült, wie jeder an sich selbst beobachten kann, vieles hinweg, und es richten selbst Gedankenjahre und alle neudeutsch so genannten "Formate" unserer Erinnerungskultur wenig gegen den Schwund unserer Begabung für Gedächtnis aus. Kann schon sein, dass Gedächtnis und Erinnerung keine angeborenen menschlichen Eigenschaften sind, sondern dass wir sie immer wieder trainieren müssen.

Wie wäre es also, so dachte ich, wenn wir das Training aufnehmen würden für einen, der als Schriftsteller und literarischer Historiker zeitlebens um das geistige Erbe Europas bemüht war, für Stefan Zweig. Jenseits von hundertsten und aberhundertsten Geburts- oder Todestagen erfreut sich dieser Autor nicht nur bei uns, sondern auch in der weiten Welt einer enormen Beliebtheit, seine Auflagen in Ländern wie Russland oder China sind für uns unvorstellbar hoch.

Seit 1992 - es waren fünfzig Jahre nach Stefan Zweigs selbst gewähltem Tod im brasilianischen Exil vergangen - versuche ich österreichische Beamte und Politiker davon zu überzeugen, ein Haus, ein kleines Museum, eine Gedenkstätte, eine wissenschaftliche Forschungsstelle im Namen Stefan Zweigs zu begründen. Alles umsonst. Und das, obwohl eine in vielen Ländern gefeierte Ausstellung als Kern für einen solchen Ort zur Verfügung stünde, Archive und Sammlungen ihre Bestände hier sinnvoll zusammenlegen könnten. An der Universität in Fredonia, im us-Staate New York gelegen, oder an der "Jewish National and University Library" in Jerusalem gibt es angesehene Forschungsstellen mit seinem Namen. Aber in seiner Geburtsstadt Wien und natürlich auch in Salzburg, wo Zweig fünfzehn Jahre lang lebte, lautet die Devise: Vergesst Stefan Zweig!

Der Autor arbeitet am Kulturforum der Österreichischen Botschaft in Berlin.

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