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"Entwurf: Vernetzung - Zwischen Globalisierung und Heimat": Damit setzten sich im Stift St. Florian Andreas Novy, Professor für Stadt- und Regionalentwicklung an der Wirtschaftsuniversität Wien, und die polnische Botschafterin irena lipowicz auseinander: Wo finde ich im Zeitalter der Globalisierung meine Heimat?

Andreas Novy: Heimat als ein Gegenkonzept gegen ein Ausgeliefertsein an globale Mächte und Kräfte: Eine der Spielarten, wie das passiert, ist der Fundamentalismus. In den neunziger Jahren gab es etwas, was der Wirtschafts-Nobelpreisträger Stiglitz als Markt-Fundamentalismus bezeichnet.

Das ist eine Spielart, die scheinbar nichts mit Fundamentalismus zu tun hat, weil ständig vorneweg die Fahne der Freiheit getragen wird, freie Marktwirtschaft wird das genannt. Es ist ein Projekt, das in Europa mit dem Binnenmarkt vorangetrieben wurde, und ein Projekt, das nicht eine Marktwirtschaft darstellt, die eingebettet ist in ein soziales und politisches System, sondern eine Marktgesellschaft - eine Vorstellung von Gesellschaft, deren oberstes und natürliches Orientierungskriterium der Markt ist.

Wir haben eine EU-Verfassung, wo eines unbestritten ist: der Binnenmarkt; und alles andere - Ökologie, soziale Gerechtigkeit, zivilisatorische Werte - sich zu rechtfertigen hat und ganz massiven Druck notwendig macht, hier das eine oder andere gegen diese Marktlogik durchzusetzen.

Bush und Bin Laden

Andreas Novy: Ein Fundamentalismus, den wir besser kennen und mit dem das Wort ja auch verbunden ist, ist zum einen der islamische Fundamentalismus und schon auch so ein seltsam christlich-kapitalistischer Fundamentalismus, wie wir ihn in Europa nicht wirklich kennen, der aber in den USA sehr breite Zustimmung findet.

Diese beiden Fundamentalismen - Bush und Bin Laden - ergeben einmal mehr eine ziemlich unangenehme Allianz, weil sie dazu führen, in beiden Lagern die Engagierten, die Kritischen, die Andersdenkenden zu marginalisieren.

Was sich jetzt im Irak abspielt, ist auch deswegen bedenklich, weil es zu einer Radikalisierung der arabischen Welt führt, und was sich im Gefolge des 11. Septembers in den USA abgespielt hat, war eben auch wieder ein Angriff gegen Bürgerrechte, innerhalb der USA. Das heißt, es sind nicht die Fundamentalisten, die im Kampf gegeneinander draufzahlen, sondern es sind Menschenrechte, Bürgerrechte.

Was ist Heimat?

Irena Lipowicz: Je mehr alles global wird, desto größer ist die Sehnsucht der Menschen, etwas Eigenes zu haben, nach Geborgenheit und Sicherheit. Dieses Bedürfnis sollen die Eliten, Kunst und Medien erfüllen. Sie sollen die Menschen trösten, den Menschen Geborgenheit geben. Wenn sie diese Hauptaufgabe nicht erfüllen und nur mit sich selbst beschäftigt sind, wie das oft leider die heutige Kunst tut, dann werden sich die Menschen den Trost woanders suchen. Dieses Bedürfnis wird von den politischen Kräften gestillt werden, die das missbrauchen können...

Adam Mickiewicz hat die kürzeste Definition der Heimat geschaffen, in einem Poem hat er geschrieben: "Das Land der Kinderjahre, rein und heilig wie die erste Liebe." Im Leben kann noch vieles geschehen, aber das Land unserer Kinderjahre wird in unserem Gedächtnis für immer bleiben. Das ist etwas Sakrales, auch bei den Menschen, die für Sakrales gar kein Gespür haben.

Die Hälfte der Weltliteratur handelt irgendwo von diesem Schatz, den jeder Mensch hat. Selbst wenn diese Kinderwelt so unfreundlich war wie für mich das industrielle Oberschlesien, war das meine Welt der Kinderjahre. Das ist bis heute für mich das Schönste, das ist die Heimat.

Revolution Globalisierung

Irena Lipowicz: Ich würde nicht sagen: Globalisierung gab es immer, denn jeder spürt instinktiv: Es kommt etwas Neues. Wenn wir die These annehmen "Es ist eben die nächste industrielle Revolution", dann können wir das besser verstehen.

Meines Erachtens ist der Hauptunterschied, dass Zeit und Raum als die Kategorien, die die Menschen in einer vernünftigen Distanz voneinander hielten, dass jeder eigene Umgebung, Heimat, Welt entwickeln könnte, plötzlich verschwunden sind.

Mittels Vernetzung durch das Internet kann man eine Firma in Amerika gründen, die ganze Belegschaft in Bangalore in Indien haben und Steuern auf den Cayman-Inseln bezahlen. Das kommt heute vor.

Das widerspricht der Erfahrung und unserer Natur, diesen tausendjährigen Erlebnissen. Es ist etwas, das für uns ganz neu ist, was neue Gefahren bringt. Dazu kommt ein Gefühl, und das war die zweite These: der gläserne Mensch. Es ist auch eine qualitative Veränderung.

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