"Vernünftige Produkte"

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Peter Handkes Stück "Die Unvernünftigen sterben aus" überzeugte

auch bei seiner Wien-Premiere.

Nicht immer funktionieren Übertragungen so glatt. Die 31-jährige Berliner Regisseurin Friederike Heller hat Handkes Die Unvernünftigen sterben aus aus dem Jahr 1973 ins Heute geholt. Und die Burg hat das Stück aus Salzburg von den Festspielen ins Akademietheater gebracht. Reibungslos verlief letzte Woche die Wien-Premiere, und dass die Inszenierung gut ankommt, liegt hauptsächlich daran, dass es Heller gelungen ist, dem Text komische Momente abzugewinnen.

Auch wenn man Handkes Text nur mehr deklamatorisch begegnen kann, so ist sein Kapitalismuskritik-Stück inhaltlich aktueller denn je. Bühnenbildnerin Sabine Kohlstedt hat ein Plexiglas-Spiegelkabinett der Melancholie für Handkes Wirtschafts-Geier gebaut. In der Selbstbeobachtung bleiben diese aber gefangen ("Es kommt mir komisch vor, dass mir die Haare wachsen, diese unempfindlichen Fäden"), vor allem Starunternehmer Quitt (Philipp Hochmair). Wenn ihn schon die innere Leere aus allen Ecken bedroht, so soll wenigstens anständig kompensiert werden. Und das heißt produktiv sein nach den Gesetzen des Marktes. Denn einer, der leer ist, kriegt "nie genug". Das darf seine japanische Ehefrau (Sachiko Hara), mit der er nur durch die transparenten Wände kommuniziert, auch vorsingen, frei nach Christina Stürmer.

Die Logik des Marktes

Aber der Markt muss gesteuert werden, und wie ginge das besser als mit der Gründung eines Kartells? Rudolf Melichar als Unternehmer im Hermelinpelz, Jörg Ratjen als Konsum-Priester, Markus Meyer als Dandy mit Fön-Frisur und Dorothee Hartinger als Konzernchefin mit Reitpeitsche feiern die Kartellabsprache zur Musik von A final Countdown. "Unsere Produkte sind vernünftig", lautet die Zukunfts-Devise.

Im sinnentleerten Wirtschaftsleben zählen jedoch keine Vereinbarungen mehr. Quitt ruiniert die anderen, der Markt kennt nämlich nur das Individuum. Hochmaier spielt diesen selbstverliebten Manager als spät Pubertierenden mit allzuviel Hochdruck, während das verratene Quartett verzweifelt. Großartig Jörg Ratje: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen", heult er über seinen finanziellen Ruin, doch die freie Konkurrenz ist ein Wolfsgesicht des Preisdumpings.

Dieser Textmasse ohne Handlung und dialogische Form ist Regisseurin Heller mit humoristischen Überzeichnungen begegnet. Der Kleinaktionär Kilb (Michael Tregor) ist bei ihr ein früh gealterter Tortenschmeißer, der vor dem Großunternehmer dann die Hosen runterlassen muss. Quitts Diener Hans (Hermann Scheidleder) ist ein feixender Oberkellner, der niveauvoll Verdi trällert und aus Stifters Der Hagestolz liest. Denn irgendwann blicken wir alle auf unser Leben zurück, und sehen die vielen Möglichkeiten, die wir nicht wahrgenommen haben.

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