Verrohung der politischen Sitten

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Muss man seine Feinde lieben? Darf man ihnen Böses wünschen?

Als die Bilder vom stürzenden Fidel Castro um die Welt gingen, hat sich zu diesem Thema eine bekennende Christin aus Spanien zu Wort gemeldet. Loyola de Palacio ließ verlauten, sie wünsche dem greisen Patienten, dessen Kniescheibe zertrümmert wurde, nicht gute Besserung, sondern dass er möglichst bald sterbe. Nun könnte man diese so armselig auftrumpfende Bekundung des Hasses als private Marotte einer wer weiß warum verbitterten Person übergehen, die nur eben nicht am Knie, sondern in der Seele verwundet ist und unser Mitgefühl mehr als unsere Kritik verdiente; man könnte - wenn de Palacio nicht EU-Kommissarin wäre.

Wer jedoch für die Europäische Union als hoher Beamter oder Politiker arbeitet, der repräsentiert in gewissem Sinne auch mich, der ich ein Bürger dieser Union bin und mich nicht damit abfinden will, dass Europa auf dem Wege zur Weltmacht von politischen Rowdys geführt wird, die die tägliche Verrohung als ihr Geschäft betreiben. Und deswegen bin ich dafür, dass de Palacio unehrenhaft aus ihrem Amt entfernt werde. Wer jetzt meint, die Amtszeit der Kommissarin, die das Verkehrsressort zugleich autoritär und erfolglos führte, gehe ohnedies in wenigen Tagen zu Ende und es stehe also nicht mehr dafür, sie noch zum vorzeitigen Abgang zu zwingen, der irrt: Auch die Tage Castros sind ja zweifellos gezählte, und doch hat de Palacio sich gewünscht, der 78-Jährige möge unverzüglich abkratzen.

Während sie die Abberufung ihres Feindes aus dem irdischen Dasein selbst begehrt, wäre ich es schon damit zufrieden, wenn de Palacio von der politischen Bühne abtreten müsste. Nicht weil sie Castro gekränkt, sondern weil sie uns beleidigt hat. Und aus uns ihre Komplizen zu machen versuchte.

Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.

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