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Weder Fisch noch Fleisch: Raimund-Premiere am Burgtheater.

Wenn nach einer kurzen Szene an der Rampe der Vorhang erstmals aufgeht, erblickt man bekleidete Männer und nackte Frauen in lasziven Posen auf einer steil ansteigenden Freitreppe. Die Damen erweisen sich als Puppen, die Herren nach unterschiedlich langer Regungslosigkeit als echt. Erste Schlussfolgerung: Für Kinder, die man früher getrost in Raimunds Zaubermärchen "Der Verschwender" ins Burgtheater mitnehmen konnte, ist diese Produktion nicht geeignet. Und zweitens: Regisseur Stefan Bachmann will den hemmungslosen Hedonismus einer Luxus-Gesellschaft vorführen. Während seine Inszenierung aber letztlich daran scheitert, dass sie weder mit Überzeugung Raimunds naiv-sympathische Wertvorstellungen vertritt, noch eine beinharte Kritik an einer frivolen, Menschen verachtenden Spaßgesellschaft zustande bringt, kann man wenigstens aus dem Programmheft etwas Interessantes von diesem Abend mitnehmen: Hans Magnus Enzensbergers Text "Luxus - woher und wohin?"

Das wenig berührende, sich schleppend dahinziehende Geschehen spielt sich auf zwei Treppen, in schwindelnder Höhe - damit die Absturzgefahr des Verschwenders ja augenfällig wird - oder darunter in einem dreieckigen Rahmen ab (Bühne: Barbara Ehnes). In Bachmanns Regie lässt sich der reiche Julius von Flottwell, der zum Bettler verkommt, anfangs nichts abgehen: Gleich nach der eingangs geschilderten Orgie agiert er mit einem Freund wie auf anrüchigen Fotos aus dem St. Pöltener Priesterseminar, um kurz darauf der Sennerin Minna - die sich als Fee Cheristane zu erkennen gibt - vergeblich einen Heiratsantrag zu machen. Dass sich in einer späteren Szene die ganze Herrenrunde über eine Nackte in Minnas Kleid hermacht und Flottwell seine spätere Frau Amalie nur Minna nennt und sie in deren Outfit steckt, gehört zu den seltsamen psychologisierenden Regieeinfällen Bachmanns.

Bei der Besetzung ist die Regie sowohl sparsam als verschwenderisch. Etliche Akteure haben zwei bis drei Rollen übernommen, es wurden aber auch Rollen geteilt. Den jungen Flottwell gibt recht vital Christian Nickel, den alten mit Ansätzen alter Leidenschaftlichkeit Gerd Böckmann, der vorher als Bettler aufgetreten ist. Warum dieses vorzeitige Bild von Flottwells Elend am Ende sein junges Ich (Volker Nickel) spielt, ahnen vielleicht Leute, die Oscar Wildes "Bildnis des Dorian Gray" gelesen haben. Auch der charmant einfältige Cornelius Obonya (Valentin) und die resolute Regina Fritsch (Rosa) geben im dritten Akt ihre Parts an Branko Samarovski und Kitty Speiser ab und mimen dort auf sehr moderne Art deren fadisiert herumlümmelnde Kinder. Ein Pluspunkt der Aufführung ist Michael Wittenborn als verschlagener Kammerdiener Wolf, Teresa Weißbach bleibt in mehreren Rollen (Cheristane, Amalie, Gärtnerin) blass.

In kaum einem Punkt kann diese Produktion ältere "Verschwender"-Inszenierungen vergessen machen, sondern sie ruft sie sogar in wehmütige Erinnerung. Auch die Umsetzung von Konradin Kreutzers Bühnenmusik lässt manchen Wunsch offen, und das berühmte Hobellied wirkt wie eine Pflichtübung. Der Abend, der weder Fisch noch Fleisch bot, war dem Premierenpublikum nur einen bescheidenen Schlussapplaus wert.

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