Versöhnung zwischen einstigen Todfeinden

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Ein großer Schritt zur politischen Stabilisierung auf dem Balkan ist getan. Montenegro macht mit der Aussöhnung einen weiteren Schritt Richtung Unabhängigkeit und Milosevic' sieht sich mehr denn ja auf seiner serbischen Scholle isoliert.

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Ein großer Schritt zur politischen Stabilisierung auf dem Balkan ist getan. Montenegro macht mit der Aussöhnung einen weiteren Schritt Richtung Unabhängigkeit und Milosevic' sieht sich mehr denn ja auf seiner serbischen Scholle isoliert.

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Gegen den Willen der Belgrader Zentralmacht hat sich Montenegro mit dem einstigen Todfeind Kroatien ausgesöhnt. Montenegros Präsident Milo Djukanovic' hat sich am Samstag vergangener Woche für die Beschießung kroatischer Küstenstädte während des Krieges 1991 offiziell entschuldigt.

Das Klima zwischen den Adria-Nachbarn hatte sich nach dem Tod des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman im Dezember merklich verbessert. Tudjman und sein serbischer Gegenspieler Milosevic' hatten sich um die strategisch gelegene Halbinsel Prevlaka südlich von Dubrovnik gezankt, von der aus die kroatische Armee die jugoslawische ausspähen kann. Zumindest für die seit Januar in Kroatien regierende links-liberale Koalition ist dieser Horchposten kein Hindernis mehr für eine Aussöhnung.

Mittlerweile wurden in Süddalmatien zwischen den einstigen Feinden sogar schon erste nachbarschaftliche Kontakte geknüpft. Tourismusmanager auf beiden Seiten sind ins Geschäft gekommen: Urlauber können von Dubrovnik aus täglich in organisierten Busfahrten auch die Sehenswürdigkeiten in Montenegro abklappern, besonders die schöne Bucht von Kotor und die alte Königsstadt Cetinje. Und wenn Präsident Djukanovic reisen will, startet und landet sein Jet seit geraumer Zeit mit dem Einverständnis der kroatischen Behörden auf dem Dubrovniker Flughafen Cilipi. In seiner Hauptstadt Podgorica fühlt er sich offenbar nicht mehr sicher genug.

Einen Steinwurf vom Flughafen Cilipi entfernt liegt in einer kleinen Bucht das ehemalige Fischerdorf Cavtat, wo die gehobene Gesellschaft Kroatiens gerne urlaubt. Dort traf Djukanovic' kürzlich im einzigen Fünf-Sterne-Hotel seinen kroatischen Amtskollegen Stipe Mesic'.

Die Folgen dieser Begegnung sind in ihrer Tragweite noch kaum abzuschätzen. Zunächst ist dies ein grosser Schritt zur politischen Normalisierung auf dem Balkan, nachdem es Anfang der Neunzigerjahre zwischen den ehemaligen Teilrepubliken des sozialstischen Jugoslawiens zu Erbfolgekriegen gekommen war. Djukanovic' hat nun als erster Politiker der jugoslawischen Seite - die von den westlichen Friedensmächten als Aggressor betrachtet wird - einen Schritt zur Versöhnung mit den Kroaten gemacht.

Manipulierte Soldaten Der 37-jährige Präsident der 600.000 Einwohner zählenden Bergrepublik hatte sich bei Mesic' und dem kroatischen Volk offiziell für die Aggression entschuldigt: "Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, in meinem Namen und im Namen der Bevölkerung Montenegros den Bürgern Kroatiens, vor allem jenen von Konavle und Dubrovnik, mein tiefstes Bedauern für all das Leid und die materiellen Verluste auszusprechen." Die montenegrinischen Soldaten in der jugoslawischen Armee seien "manipuliert" worden, sagt Djukanovic' heute und spricht sich damit selbst von seiner Verantwortung als damaliger Premierminister der kleinen Teilrepublik frei. Die süddalmatinische Region lag monatelang unter Granatenbeschuss, das zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Dubrovnik war von der Außenwelt abgeschnitten. Die Schäden sind heute weitgehend behoben.

Das nach Unabhängigkeit strebende Montenegro braucht die Aussöhnung, denn der Weg in den Westen führt über Kroatien. Die historisch gewachsenen Bindungen, die der geschürte Völkerhass zerrissen hatte, ließen sich schnell wieder reaktivieren. Vor allem der Tourismus zeigt, dass diese südadriatische Region eine wirtschaftliche Einheit ist.

Auch der Westen, der die Montenegriner im Kampf gegen das Belgrader Regime finanziell unterstützt, ist hoch zufrieden: "Die versöhnende Geste Djukanovic's ist eine große, souveräne Leistung", lobte Bodo Hombach, der deutsche Koordinator des EU-Stabilitätspakts für Südosteuropa. Milosevic' sieht sich deutlicher denn je auf seiner serbischen Scholle isoliert.

Allerdings bleibt unklar, welche Konsequenzen der Despot aus der jüngsten Provokation Montenegros ziehen wird. Die ersten Reaktionen fielen schrill aus, bestätigt Djukanovic's Aussöhnung mit Kroatien immerhin die These von der "serbischen Aggression". Sein "Canossa-Gang" zu Mesic' sei völlig überflüssig, schreibt die Belgrader Regimeagentur Tanjug, damit habe er die "sezessionistische und zerstörerische" Politik Kroatiens anerkannt, die zum Zerfall des alten Jugoslawien geführt habe.

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