"Vertrauen statt Kontrolle“

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Richard Straub, Präsident der Drucker Society Europe, über die Verfehlungen der Manager, die Lehren aus der Krise und die Suche nach Moral und Sinn in der Wirtschaft.

Richard Straub ist President der Peter Drucker Society Europe, Senior Advisor bei IBM sowie Direktor der Corporate Services & EU Affairs, EFMD. Er wird am 3. September mit dem Heinz von Förster-Preis ausgezeichnet. Ein Gespräch über Unternehmer, Manager und mangelnde Moral.

Die Furche: Manager stehen derzeit in einem denkbar schlechten Ruf: Kurzfristige Gewinnorientierung, Bereicherung durch Bonifikationen, mitarbeiterfeindliche Unternehmenspolitik. Was fehlt den Managern?

Richard Straub: Es gibt da bereits ein Umdenken. Manager erkennen zunehmend, dass ihre Arbeit nicht nur einen ökonomischen, sondern auch einen gesellschaftlichen Wert schaffen soll. Das Shareholder-Value-Prinzip, das Sie ansprechen, beschreibt Unternehmen, die primär an kurzfristiger Gewinnmaximierung und an den Aktienkursen ausgerichtet sind. Peter Drucker hat diesen Trend schon in den 80er-Jahren erkannt und scharf kritisiert.

Die Furche: Der neue Manager wird, so meinen Sie, soziale Funktionen erfüllen müssen und sich auch karitativen Tätigkeiten widmen müssen. Ist das der probate Weg zu einem neuen Image?

Straub: Ich halte nichts von Imagekampagnen, sie wären eine bloße Symptomkur. Man muss an die Grundlagen gehen. Die Manager müssen sich als ein Berufsstand begreifen, der gesellschaftliche Verantwortung trägt und wichtiger Teil eines größeren Ganzen ist. Es reicht nicht, bloß die eng gesteckten Ziele zu verfolgen.

Die Furche: Ein hehrer Ansatz. Aber ist es für Unternehmen, die von Börsenkursen und von ihren Quartalsbilanzen abhängig sind, nicht schwierig, sich von diesem System der kurzfristigen Zwänge zu lösen?

Straub: Es ist durchaus möglich. Ein Beispiel: Der Vorstandsvorsitzende des Unilever-Konzerns, Paul Polman, weigert sich, seine Quartalsberichte so auszuführen, wie es die Aktienmärkte verlangen würden. Das Unternehmen ist damit sehr erfolgreich. Das System ist nicht alternativlos. Polman wird auch unser Gast beim heurigen Drucker-Symposium sein.

Die Furche: Corporate Social Responsibility ist auch eine Strategie zur Verbesserung des Rufs von Unternehmen. Ein trügerischer Schein bloß zu PR-Zwecken?

Straub: Nein. Es gibt hervorragende CSR-Initiativen. Man kann die gesellschaftliche Verantwortung aber nicht einer einzigen Abteilung aufbürden. Das ganze Unternehmen muss sich seiner gesellschaftlichen Aufgabe stellen. Es gibt Unternehmen, die auf der einen Seite tolle Social Responsibility-Programme unterhalten und auf der anderen Seite brutal ihre Personalressourcen kürzen und den Mitarbeitern betriebliche Pensions- und Sozialprogramme beschneiden, nur um kurzfristige Ziele einzuhalten.

Die Furche: Das Drucker-Symposium richtet sich an den zu erwartenden Strömungen in der Ökonomie aus. Wie manifestiert sich die Krise da inhaltlich?

Straub: Das kapitalistische System hat Grenzen erreicht und gravierende Probleme aufgeworfen. Diese Probleme stellen auch das System der freien Marktwirtschaft infrage - zumindest in den Augen verschiedener Gruppen. Wir wollen bei unseren Veranstaltungen ausloten, was das für das Management bedeutet. Welche Möglichkeiten haben Manager, das marktwirtschaftliche System weiterzuentwickeln?

Die Furche: Kann sich Management neu erfinden? Und unter welchen Rahmenbedingungen sollte das geschehen?

Straub: Wir erleben gerade eine kommunikative Revolution: Menschen können sich quer durch weltweite Organisationen miteinander verbinden, etwa über Social Media. Sie können ihr Wissen teilen und Gemeinschaften bilden. Daraus ergeben sich viele Fragen. Wie kann die latente Kreativität am besten gefördert werden? Wie kann das ungeheure Wissen, das in einem Unternehmen vorhanden ist, besser genutzt werden? Davon hängt letztich die Innovationskraft des Unternehmens ab. Unternehmen, die das erkennen, arbeiten nicht mehr in der klassischen starren Top-Down-Hierarchie, die die Kreativität eher unterdrückt. Sie verlagern ihre Entscheidungen dorthin, wo sie am besten getroffen werden können. Das bedeutet nicht Führungslosigkeit, sondern einen ganz anderen Führungsstil. Ich nenne das "Smart Management“. Es stellt Vertrauen vor Kontrolle und die Öffnung von internem Wissen vor Geheimniskrämerei. Peter Drucker hat diese Trendwende als erster erkannt. In den frühen 90er-Jahren beschrieb er eine postkapitalistische Gesellschaft, in der Wissen zur entscheidenden Ressource wird.

Die Furche: Die spürbare Entwicklung geht derzeit dahin, Arbeitnehmer einzusparen, die verbleibenden Menschen mehr arbeiten zu lassen und bei Innovation und Entwicklung zu sparen. Wird hier nicht kurzfristiges Eigeninteresse zur langfristigen Gefahr?

Straub: Die Krise hat große Unsicherheiten gebracht. Unternehmer müssen sich rigoroser als bisher fragen, welche Programme und wie viele Mitarbeiter sie sich leisten können. Wie viel kann ich in Innovation investieren? Genau hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Wer den einfachen Weg einschlägt und radikal kürzt, läuft Gefahr, eine Negativspirale auszulösen. Wo aber große Unternehmen sagen, wir haben weniger und versuchen damit neue Wege zu gehen, wird Wachstum möglich bleiben. Dies erfordert jedoch Innovation auf allen Ebenen. Führungskräfte müssen lernen, mit flexiblen, teils widersprüchlichen Zielen zu arbeiten. Dazu gehört etwa, kurzfristige Vorgaben mit langfristigen Zielen zu verbinden. Klar ist, dass die Krise wesentlich höhere Anforderungen an Manager stellt als das bloße Streben nach Erfüllung enger Zielvorgaben.

Die Furche: Der Manager braucht demnach ein bisschen mehr vom Schumpeter’schen Unternehmer, der Risiko und Verantwortung in sich vereint. Was würde Peter Drucker in dieser Situation empfehlen?

Straub: Drucker war nicht nur eng mit Schumpeter bekannt und befreundet. Er hat auch das unternehmerische Element und die Dynamik der Innovation hervorgehoben. Die Frage ist jetzt, wie wir beides am besten fördern. Durch die überzogene Orientierung der Wirtschaft an den Finanzmärkten glauben manche, die ganze Marktwirtschaft sei ineffizient und man müsse wieder alles regulieren. Das funktioniert so aber nicht. Ein hochkomplexes System wie eine Gesellschaft und eine Volkswirtschaft kann man nicht im Detail regeln. Um unsere Innovationskräfte zu befreien, brauchen wir also ein vernünftiges Regelwerk, in dem die Unternehmer agieren können. Wir brauchen Werte, die bestimmte Praktiken ächten. Unser Wertesystem ist uns teils verloren gegangen. Wir können die Moral aber nicht durch Gesetze herstellen, die Tausende Seiten umfassen. Wir müssen als Unternehmer selber moralischer handeln. Die Krise hat viele aufgeweckt. Die Sinnfrage rückt wieder in den Mittelpunkt - sie ist die Voraussetzung für das Engagement der jungen Genaration. Das macht mich optimistisch.

Das Gespräch führte Oliver Tanzer

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