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Der Weltsicherheitsrat ist nicht das einzige Gremium, das US-Außenmister Powell dieser Tage überzeugen muss. Viel mehr noch bedürfen "seine Jungs" nach einem Mandat für den Irak-Feldzug.

Mehr als die fünfhundert Pornofilme, die ihnen ein patriotischer Geschäftsmann zur Verfügung stellt und mehr als die Gewissheit, dass die Chance auf Nachkommen in einer Samenbank lagert, brauchen US-Soldaten moralische Rückendeckung. Ohne gesellschaftlich akzeptiertes Mandat ausgestattet zu sein, ist für jeden Soldaten ein schwerer Belastungsfaktor, sagt Christian Langer, Militärpsychologe des österreichischen Bundesheers: "Die Amis wissen das genau, die haben genug schlechte Erfahrungen damit gemacht, ohne oder mit schwindender gesellschaftlicher Rückendeckung - Beispiel Vietnam - in einen Krieg zu ziehen."

US-Außenminister Colin Powells aktueller Auftritt vor dem Weltsicherheitsrat erfährt vor solchem Hintergrund einen gewissen Bedeutungswandel. Nicht die Vertreter der Staatengemeinschaft sind seine erste Ansprechadresse. Powell - selber lange genug Soldat - weiß: "Seine Jungs" muss er mit mehr oder weniger "handfesten Beweisen" von der Bösartigkeit Saddam Husseins, von der Schuld der Irakis überzeugen. Männer wie Joshua Yarian, First Lieutenant beim 504th Parachute Infantry Regiment, oder den 22-jährigen Sergeant Mathew Figley von der Third Infantry Division oder Major Christoph Miller von der Special Forces Fifth Group führen der US-Außenminister und sein Kollege vom Kriegsressort in den Kampf - mit ihren Reden, mit ihrer Hetze, mit ihren religiös verbrämten Beschwörungsformeln.

Wie in früherer Zeit mit Kriegspauken trommeln sie heute verbal zum Angriff. Laut müssen sie sein, forsch müssen sie tönen, Gewissen mit Gewissheit vertreiben und Todesangst durch Todesmut ersetzen. Kein leichtes Unterfangen, kein Erfolg garantiert: US-Studien zufolge schafften es im Zweiten Weltkrieg bis zu 80 Prozent der amerikanischen GIs nicht, im Kampf ihre Waffen abzufeuern. Religiöse Vorbehalte sowie ein verinnerlichtes Tötungstabu vermutete man als Grund für die niedrige "Feuerfrequenz". Ein Viertel der US-Soldaten, geht aus nach dem Weltkrieg gemachten Interviews hervor, musste sich in extremer Gefahr übergeben, ebensoviele machten sich aus Angst in die Hose, bei zehn Prozent war dieselbe "nur" nass. Wirklich kriegslüstern sollen bloß zwei Prozent gewesen sein.

Die Angst der vermeintlichen Helden erklärt auch die Berichte der Historiker über die großen Schlachten der Geschichte, wonach die Gegner teilweise stockbetrunken aufeinander losgelassen wurden. Von Russland heißt es, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg 15 Millionen aus dem Kriegsfeld heimgekehrte neue Alkoholiker aufnehmen musste.

Doch "genauso wie moderne Lenkbomben ihr Ziel seltener verfehlen, sind die Krieger des 21. Jahrhunderts tödlicher denn je", meint Peter Maass, Kriegsberichterstatter der New York Times. Ständiges, realitätsnahes Training mache diese "stillen Profis" immun gegen Stress. Auf "kugelsicheren Verstand" hin ausgebildet, seien sie sehr viel schwerer zu schockieren als Rekruten der Vergangenheit.

Christian Langer gibt Maass Recht, was Drill und Training betrifft, mit einer Ausnahme: "Ich oder Du, das kann man nicht trainieren!" Das ist der Grund, warum der schwächere Konfliktteilnehmer versuchen wird, den Kampf in die Städte zu ziehen, was viele technologische Vorteile zunichte macht und den einzelnen Soldaten physisch und moralisch schwächt. Im Kampf Mann gegen Mann kommt es, so Langer, "gewaltig auf die Psyche an". Und auch wenn man aus dieser Konfrontation heil hervorgeht, ist noch lange nicht sicher, ob der leistungsfähige Killer von heute morgen ein guter Bürger sein wird.

Entscheidend dabei ist, dass Soldaten oft Schuldgefühle und psychische Traumata entwickeln, wenn sie ihr Töten später nicht legitimieren können. Das sollten vor allem jene bedenken, für die der Feind zwar abgeschrieben ist, die aber vielleicht noch davor zurückschrecken, den eigenen Soldaten in einen ungerechtfertigten Krieg zu schicken.

wolfgang.machreich@furche.at

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