Verzweifeltes Ringen um Anerkennung

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Am Theater in der Josefstadt überzeugt Sandra Cervik als Hedy Lamarr in der von Stephanie Mohr inszenierten One-Woman-Show "Sieben Sekunden Ewigkeit". Und dennoch: Das Stück von Peter Turrini bleibt die Brüchigkeit der Hollywood-Diva schuldig.

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Am Theater in der Josefstadt überzeugt Sandra Cervik als Hedy Lamarr in der von Stephanie Mohr inszenierten One-Woman-Show "Sieben Sekunden Ewigkeit". Und dennoch: Das Stück von Peter Turrini bleibt die Brüchigkeit der Hollywood-Diva schuldig.

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Die vielen Facetten der Filmschauspielerin Hedy Lamarr (eigentlich Hedwig Kiesler, 1914-2000) beschäftigen Peter Turrini seit Langem. Nun hat er ein Stück über sie geschrieben und es auf Sandra Cervik maßgeschneidert. Letzten Donnerstag fand im Theater in der Josefstadt die Uraufführung der One-Woman-Show statt.

Im Rückwärtsgang lässt Turrini das Leben von Hedy Lamarr Revue passieren. Dabei wendet er einen einfachen Kunstgriff an, indem er ein Gegenüber - einen Polizisten namens Jimmy - erfindet, dem die betagte Diva ihr Leben erzählt.

Schauspielerin - und Erfinderin

Bemerkenswert war Hedy Lamarrs Erfindergeist. In ihrer Ehe mit dem Waffenhändler Fritz Mandl machte sie sich mit verschiedenen Technologien vertraut, nach ihrer Emigration in die USA setzte sie dieses Wissen im Kampf gegen die Nazis ein. Zusammen mit dem Komponisten George Antheil entwickelte Lamarr ein System zur Fernsteuerung von Torpedos. Erstaunlich ist, dass sie die Erfindung 1942 patentieren ließen. Zur Anwendung kam ihre Technik im 2. Weltkrieg nicht, später allerdings bildete sie eine der Grundlagen des modernen Mobilfunks.

Im Theater in der Josefstadt sind die Konstruktionszeichnungen aus 1942 das erste Bild, mit dem Regisseurin Stephanie Mohr das Publikum konfrontiert. Damit präsentiert sie Hedy Lamarr als unkonventionelle Erfinderin, als emanzipierte Frau, die selbst später an den unmenschlichen Ansprüchen der Filmindustrie zerbrach.

Bekannt wurde Lamarr nicht als Erfinderin, sondern als Schauspielerin, die sieben Sekunden nackt auf der Leinwand zu sehen war. In Gustav Machaty´s Film "Ekstase" (1933) lief sie nicht nur nackt durchs Bild, sondern spielte auch einen Orgasmus, dies war der eigentliche Auslöser des Skandals.

In Mohrs Inszenierung läuft immer wieder besagte Szene aus "Ekstase", in welcher Hedy Lamarr ihren Blick wendet und davonläuft. Die Kinoleinwand dient aber auch dazu, Orte und Jahreszahlen einzublenden, die Stationen aus Lamarrs Leben zeigen. Dabei fiktionalisiert Turrini so manches: Die Höhenstraße am Wiener Kahlenberg wird mehrfach zitiert, denn hier soll Lamarrs Asche verstreut werden, so lautet ihr Wunsch. Am Schluss erklärt sie endlich, was es damit auf sich hat: Als 12-jähriges Mädchen soll sie hier -exakt bei Kilometer 21 - nach der Flucht aus dem polnischen Osieczek zusammengebrochen sein. Sie floh vor einem Pogrom, marschierte allein, hungernd und frierend nach Wien. So erzählt es Turrinis Protagonistin ihrem imaginären Gegenüber und erfindet eine tragische Kindheit, als wäre das Leben der echten Lamarr nicht heftig genug gewesen. Zahlreiche Zusammenbrüche markieren die Biographie der als "Göttin der Leinwand" bekannten Schauspielerin. Bei Turrini tritt sie als betagte, gebrochene Frau auf, schwer vom Alkohol gezeichnet. Dass sechs Ehen scheiterten, deutet er nur an, Lamarrs Erfindungen werden von ihr selbst lächerlich gemacht. Ihre anscheinend unglaubliche Kreativität wird bagatellisiert, sie verlacht sich als Erfinderin von Tampons, abbiegbaren Prothesen und Schönheitschirurgie.

Das Altern ausgeschlachtet

Stephanie Mohr findet für das undramatische Stück einfallsreiche Bilder. Lamarrs Bemühungen, eine ernsthafte Filmkarriere zu entwickeln, markieren Schaufensterpuppen, die den Laufsteg auf der Bühne flankieren und zu Spiegelbildern werden. Sandra Cervik wechselt die Kleider und Perücken, überzeugt im verzweifelten Ringen um Anerkennung. Doch längst führt der rote Teppich nicht hinauf in den Star-Himmel Hollywoods, sondern hinab in die Abgründe der ehemals Gefeierten, deren Altern öffentlich ausgeschlachtet wird.

Auch wenn Sandra Cervik gekonnt die Brüche im Leben dieser beeindruckenden Künstlerin darstellt, die Brüchigkeit dieser empfindsamen Frau bleibt das Stück schuldig.

Sieben Sekunden Ewigkeit

Theater in der Josefstadt, 30., 31. Jänner

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