Videoclips als Programm

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Vor 30 Jahren startete der Musiksender MTV. Gut zwei Jahrzehnte prägte das Programm die Popkultur. Heute ist es nur mehr ein Abklatsch seiner selbst.

Der Beginn war richtungsweisend: Mit dem Clip "Video Killed The Radio Star“ der Band "The Buggles“ ging am 1. August 1981 der damalige Musiksender MTV erstmals auf Sendung. Der selbstbewusste Auftritt hatte seine Berechtigung: Tatsächlich löste MTV das Radio als kulturelles Leitmedium der Popmusik ab. Für fast zwei Jahrzehnte wurde MTV zum medialen Lagerfeuer, um das sich die Jugendkultur rund um den Globus scharte. Doch diese Zeiten sind vorbei. Dass MTV zu seinem 30. Geburtstag nur noch gegen Bezahlung über Kabel- oder Satelliten-Plattformen empfangen werden kann, ist nur die offenkundige Bestätigung, dass der Sender seine einstmalige gesellschaftspolitische Bedeutung schon längst eingebüßt hat.

MTV - damals bedeutete dies: Music Television - revolutionierte das Popgeschäft. Musikvideos hatte es schon zu Zeiten der "Beatles“ gegeben, auch Musik- bzw. Jugendsendungen, in denen sie abgespielt wurden. Doch ein Fernsehsender, der ausschließlich Musikclips spielte - das war neu. MTV war dafür verantwortlich, dass Musikvideos ebenso wichtig wurden wie die Musik selbst. Ein Popsong ohne einigermaßen aufwändiges Video hatte kaum noch Chancen, ein Hit zu werden. Die Erfolge von Michael Jackson oder Madonna wären ohne Videos nicht denkbar.

Die Michael-Jackson-Revolution

Spätestens mit Jacksons gruseligem Clip zu dem Song "Thriller“ (1983) - ein Meilenstein - wurden Musikvideos zu einer eigenständigen, höchst innovativen Kunstform und MTV zu deren zentralen Medium. Viele spätere Filmregisseure verdienten sich ihre ersten Sporen als Videoregisseure. Auch spätere TV-Stars wie Stefan Raab oder die Österreicherin Mirjam Weichselbraun durchliefen als Moderatoren die Schule von MTV. Der Sender setzte nämlich früh auf regionale Diversifizierung und hat noch heute Dutzende regionale Ableger in aller Welt.

Während sich im deutschsprachigen Raum mit dem Aufkommen der Privatradios in den 1980ern die Radiosender immer mehr in aalglatte Formatradios verwandelten, pflegte MTV das Anarchische. Die lästernden Cartoon-Figuren Beavis und Butt-Head - zwei primitive, unsympathische Jugendliche - sind legendär, später standen die Moderatoren Ray Cokes oder Charlotte Roche für das gewollte Chaos. In den Zeiten des ORF-Monopols war MTV für junge Österreicher ein willkommenes Fenster in die große weite Welt der internationalen Popmusik.

YouTube markierte das Ende

Nach über zehn Jahren bekam MTV dann Konkurrenz. 1993 ging in Deutschland VIVA auf Sendung, in Österreich folgte im Jahr 2002 gotv. Doch die wahre Gefahr ging nicht von den Mitbewerbern aus, sondern vom Internet. Durch die massenhafte Nutzung von Videoportalen wie YouTube verloren Musikvideos im Fernsehen an Attraktivität. Warum warten, bis das Lieblingslied zufällig auf MTV läuft, wenn es im Internet jederzeit mittels Mausklick abgerufen werden kann? Um gegenzusteuern, produzierte MTV seit der Jahrtausendwende immer mehr Formate, die mit Musik nichts mehr zu tun hatten: Comedys, Cartoons, Reality-Shows und Kuppel-Shows, zuletzt sogar Serien. "Reality Killed The Video Star“: So benannte Robbie Williams in Anspielung an die "Buggles“-Nummer ein Album. Bezeichnenderweise hat MTV im Vorjahr die Worte "Music Television“ aus dem Logo entfernt. Seit Jahresbeginn ist der Sender nicht mehr frei empfangbar, was von so manchem Medienexperten als der Todesstoß betrachtet wird. Egal, ob sie Recht behalten: MTV hat jedenfalls seinen sicheren Platz in der Geschichte der Populärkultur.

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